Ein Mordswahlkampf

In Spanien wird am 14. März ein neues Parlament gewählt. Dass die konservative Volkspartei die Wahl gewinnt, gilt als sicher. von gaston kirsche

Die einzige spannende Frage bei der spanischen Parlamentswahl am 14. März wird die sein, ob sich die konservative Volkspartei (PP) einen Koalitionspartner suchen muss oder ob sie weiterhin alleine regieren kann. Dass die PP, die seit acht Jahren an der Macht ist, wieder stärkste Partei werden wird, bestätigen alle Umfragen. Die linke Opposition hat trotz massiver öffentlicher Kritik an der Regierungspolitik, beispielsweise nach dem Untergang des Öltankers Prestige und wegen ihrer Haltung zum letzten Irakkrieg, keine Chance.

Nahezu alle Regionalwahlen im vergangenen Jahr haben die sozialdemokratische PSOE und die Vereinigte Linke (IU) verloren. Einzige Ausnahme war die Wahl in Katalonien im November. Dort existiert zum ersten Mal seit der Franco-Diktatur eine linke Koalitionsregierung. Der regionale Ableger der Sozialdemokraten, die PSC, regiert dort gemeinsam mit der Katalanischen Republikanischen Linken (ERC) und einem Wahlbündnis aus regionaler KP und den Grünen.

Das ist ein gefundenes Fressen für die Konservativen. »Die PSOE muss erklären, warum sie für den Senat in Koalition mit einer Partei antritt«, entrüstete sich Regierungssprecher Eduardo Zaplana vergangene Woche, »die mit der Eta paktiert hat, die das auch noch verteidigt und die mit der Bande eine Verständigung sucht.«

Im Senat, der zweiten Kammer für die Regionen Spaniens, ist auch die Regionalregierung von Katalonien vertreten. Ende Januar enthüllte die der PP nahe stehende Tageszeitung ABC, dass sich der damalige stellvertretende Ministerpräsident Kataloniens, Josep Lluis Carod-Rovira (ERC), am 4. Januar in Perpignan heimlich mit Mitgliedern der Führung der Eta traf. Carod-Rovira rechtfertigte das Treffen mit den Worten: »Es wäre unverantwortlich gewesen, es auszuschlagen, mit der Eta zu sprechen, weil dies dem Frieden nützen kann.« Er weigerte sich, gegenüber der spanischen Polizei über das Treffen eine Aussage zu machen.

Am 19. Februar verkündete die Eta einen auf Katalonien begrenzten Waffenstillstand. Begründet wurde er mit »den Veränderungen in der politischen Situation in Katalonien und im Baskenland in den letzten Jahrzehnten, die einen enormen Fortschritt für die Unabhängigkeitsbewegungen bedeuten und die ins Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten die Notwendigkeit des Selbstbestimmungsrechtes gebracht haben, das den unterdrückten Völkern im spanischen Staat zusteht«.

»Das Baskenland und Katalonien sind die Keile«, heißt es wortreich in der Erklärung, »die das morsche Gebälk des spanischen Staates knirschen lassen.« So will die Eta wohl über ihre reale politische Isolation hinwegtäuschen.

Die Kampagne der PP, die sich im Wahlkampf erfolgreich als Verteidigerin der spanischen Nation und als Bollwerk gegen den Terrorismus aufspielt, zielt weniger auf die ERC als auf die Sozialdemokraten, die als unsichere Kantonisten im Kampf gegen die Eta und den baskischen wie katalanischen Separatismus vorgeführt werden. Als Beweis muss herhalten, dass der sozialdemokratische Ministerpräsident von Katalonien, Pasqual Maragall, sich weigerte, die Koalition mit der ERC zu beenden, und sich darauf beschränkte, Carod-Rovira zum Rücktritt von seinem Posten zu bewegen, und dass der Vorsitzende der gesamtspanischen PSOE, José Luis Rodríguez Zapatero, diese Entscheidung akzeptierte.

José María Aznar, der spanische Ministerpräsident, behauptete daraufhin: »Carod-Rovira hat den Terroristen gesagt, wen sie ermorden dürfen und wen nicht.« Die Sozialdemokraten müssten »aus nationaler Verantwortung« die Koalition mit der ERC beenden, Carod-Rovira sei »eine Schande für alle Spanier«. Auch einige regionale Ministerpräsidenten der PSOE, etwa Juan Carlos Rodríguez Ibarra und José Bono, schlossen sich der Forderung nach einem Bruch mit der ERC an.

Vergangene Woche beschuldigte Aznar den PSOE-Vorsitzenden Zapatero sowie Carod-Rovira und Gaspar Llamazares, den Spitzenkandidaten der Vereinigten Linken, »die Stabilität Spaniens und der spanischen Nation zu gefährden«. Mariano Rajoy, der Spitzenkandidat der PP und voraussichtliche neue Ministerpräsident, verkündete gleichzeitig, es sei »eine nationale Schande«, dass die PSOE mit der Partei Carod-Roviras koaliere.

Außerdem zweifele die PSOE den jüngsten Fahndungserfolg der spanischen Polizei an, schimpfte Rajoy. Am 29. Februar wurden in der Nähe von Madrid zwei junge Basken festgenommen. Sie waren angeblich mit 536 Kilogramm Sprengstoff in einem Kleinlaster unterwegs, der als Autobombe eingesetzt werden sollte. Innenminister Ángel Acebes nutzte die Pressekonferenz im Anschluss an die Festnahme für die Unterstellung: »Carod-Rovira wird sehr zufrieden sein und kann sich beglückwünschen, weil die Autobombe nicht nach Katalonien ging und weil bei dem Attentat, das die Terroristen in Madrid verüben wollten, Madrilenen, Andalusier und höchstens ein Katalane gestorben wären. Das ist es, was Carod-Rovira wollte und ausposaunt hat.« Und Julia García Valdecasas, Ministerin für öffentliche Verwaltung, ereiferte sich: »Mit Leuten, die morden, kann man nicht paktieren, und in gewisser Weise paktiert die PSOE in Katalonien mit Mördern und wird zusammen mit Mördern in die Kandidatur zum Senat gehen.«

Bezeichnend ist, dass die PSOE auf derartige Anschuldigungen nur äußerst defensiv reagiert, die Vereinigte Linke weitgehend auf Tauchstation gegangen ist und die ERC die Angriffe fast allein zurückweisen muss. Carod-Rovira, der nach seinem Rauswurf als Minister nun Spitzenkandidat der ERC für das spanische Parlament ist, erwiderte auf die neuesten Vorwürfe: »Wir wollen keine Toten. Nicht in Katalonien, nicht in Spanien, nicht im Baskenland, nicht im Irak. Der Innenminister hat gesagt, es hätte mich gefreut, wenn sie in Madrid gebombt hätten. Lasst mich sagen: Das sind miese Typen!« Und er beendete seine Rede auf einer gut besuchten Wahlversammlung der ERC in Tortosa mit einem Konter: »Unsere Leute wurden vom Franquismus ermordet und ins Exil getrieben. Und heute, 2004, ist die Stunde noch nicht gekommen, da Aznar den Franquismus verurteilt. Mit welchem Recht erteilen sie uns Lektionen?«

Vielleicht hat die ERC mit dieser Strategie sogar Erfolg und kann die Anhänger der besiegten spanischen Republik mobilisieren, die Unterstützer der Diktatur anzuklagen. Vielleicht. Am 14. November 2003 fand im Parlament eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Franco-Diktatur statt. Die PP weigerte sich, an ihr teilzunehmen, denn sie sei »eine Rückkehr in die Vergangenheit, die nichts Positives bringt«.