Heimat ist, wo dein Knast steht

Die österreichische Regierung will in Rumänien einen Knast errichten lassen, um in Österreich straffällig gewordene rumänische Staatsbürger in ihrem Heimatland entsorgen zu können. von martin schwarz, wien

Offensichtlich steigt jetzt Österreich groß ins Knastbusiness ein. Im März soll zwischen der Alpenrepublik und Rumänien ein Vertrag über die Errichtung eines Gefängnisses in Rumänien unterzeichnet werden, das ausschließlich solche Rumänen aufnehmen soll, die in Österreich straffällig geworden sind.

Der zur Freiheitlichen Partei gehörende österreichische Justizminister Dieter Böhmdorfer führt vor allem ökonomische Gründe für diesen in Europa etwas ungewöhnlichen Schritt an. In Österreich sitzen derzeit rund 300 rumänische Staatsbürger ein, deren Versorgung in den Haftanstalten etwa 1,4 Millionen Euro jährlich kostet. Dieter Böhmdorfer meint daher, dass sich ein Gefängnisbau in Rumänien »recht bald amortisieren« würde, denn immerhin kostet die Errichtung des Knastpalastes am Balkan bloß drei Millionen Euro. Böhmdorfers Milchmädchenrechnung lautet, schon nach zwei Jahren hätte man einen »Return on Investment« erreicht, wenn man mit dem transsylvanischen Gefängnisbau künftig alle rumänischen Straftäter in ihrem Heimatland entsorgen könnte.

Doch was Böhmdorfer vor allem erreichen möchte, ist, die Behauptung einer angeblichen kriminellen Energie von Rumänen, die – legal oder illegal – in Österreich leben, zu verfestigen. Neben Kosovo-Albanern gehören Rumänen zur bevorzugten Kundschaft der Exekutive. Innenminister Ernst Strasser hat unlängst Rumänien als »Herkunftsland von Kriminalität« bezeichnet, eine Formulierung, die zumindest unglücklich gewählt ist, wie der rumänische Botschafter in Österreich, Trajan Chebeleu, meint: »So wie ihn der Minister verwendet hat, kann dieser Begriff jede Nation betreffen.« Mit dem Gefängnisbau wird nun zudem suggeriert, dass es eine besondere Dringlichkeit gebe, gerade rumänische Strafgefangene outzusourcen, was nicht den Tatsachen entspricht. Botschafter Chebeleu etwa hat keine statistischen Daten darüber, dass die von Rumänen verursachte Kriminalitätsrate in Österreich in den letzten Monaten überproportional angestiegen wäre.

Der Bau eines Gefängnisses aber reicht der Regierung nicht aus. Böhmdorfer will auch gleich die rumänische Justiz in seine Pläne involvieren und plant, ganze Prozesse nach Rumänien auszulagern. Wenn ein Rumäne in Österreich eine Straftat begeht, soll er in Rumänien vor Gericht gestellt, abgeurteilt und in den österreichischen Knastpalast, dessen genauer Standort noch nicht feststeht, überstellt werden, wo er dann die gesamte Haftstrafe abzusitzen hat.

Juristen halten diesen Export von Prozessen rechtsphilosophisch für problematisch, was aber Justizminister Böhmdorfer nicht wirklich interessiert. Der Wiener Professor für Strafrecht, Frank Höpfel, sieht in derartigen Bestrebungen einen Verstoß gegen das Unmittelbarkeitsgebot. Demnach sollten Prozesse auch dort stattfinden, wo die Beweise sind, um zu gewährleisten, dass das Gericht einen umfassenden Einblick in die Sachlage erhält. Kaum anzunehmen ist, dass rumänische Richter regelmäßig zu Tatortbesichtigungen ins teure Wien jetten. Besonders realitätsfremd ist die Prozessverlagerung nach Rumänien bei Bagatelldelikten, die bei einem Straftäter, der nicht aus der EU kommt, überdurchschnittlich oft zur Inhaftierung führen.

Der Export der Prozesse nach Rumänien ist für die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Theresija Stoisits, schlicht »absurd und sinnlos« und habe – und diese Einschätzung ist nicht übertrieben – einen »Touch von Fremdenfeindlichkeit«. Kleine Eierdiebe mit großem Aufwand per Flugzeug nach Bukarest zu überführen, mag der Bevölkerung suggerieren, dass da etwas für ihre Sicherheit getan wird, tatsächlich aber wird der finanzielle Schaden eines solchen Bagatelldeliktes wohl in den meisten Fällen die Kosten für den Häftlingsexport unterschreiten.

Aufwändig könnte es für die Alpenrepublik auch werden, die Wahrung der internationalen Standards im Verlauf von Prozessen zu überwachen, denn dazu wäre Österreich verpflichtet, wenn es praktisch als Kläger in Rumänien auftritt und sich dort von rumänischen Richtern und Staatsanwälten vertreten lassen würde. Die gleiche Fürsorgepflicht würde die österreichische Regierung auch für die Behandlung der Häftlinge im Österreich-Gefängnis eingehen müssen, denn rumänische Standards – darauf legt indirekt selbst der Justizminister wert – sollen nicht in dem Knast Einzug halten. Eine schwierige Angelegenheit, denn die rumänische Gefängnisverwaltung gibt auf ihrer eigenen Website zu, dass das »Gefängnissystem mit ernsthaften Schwierigkeiten konfrontiert ist«. 6 000 rumänische Gefangene haben noch immer keinen eigenen Bettplatz, die Haftbedingungen »genügen den europäischen Standards nicht«. Wenn Derartiges auch im Knastpalast der Österreicher eintritt, ist Böhmdorfers Projekt gescheitert, denn Österreich wäre verantwortlich, wenn in dem Gefängnis etwas passiert.

Im Übrigen ist fragwürdig, ob in einer rumänischen Umgebung die Resozialisierung von Häftlingen tatsächlich einfacher ist als in Österreich. Die Meinungen gehen an diesem Punkt auseinander. Die Befürworter von Böhmdorfers Bauherrentätigkeit meinen, dass die Resozialisierung natürlich im Heimatland leichter sei, weil es sich einfach um die gewohnte Umgebung handele. Die Gegner wiederum meinen, dass in einem Staat, wo die Kriminalitätsrate viel höher liegt als in Österreich, die Versuchung für Ex-Häftlinge groß sei, abermals straffällig zu werden. Auch die rumänischen Justizbehörden sind übrigens besorgt über die hohe Rate an Wiederholungstätern, die in rumänischen Gefängnissen einsitzen.

Da es natürlich auch Straftäter aus anderen Ländern in österreichischen Gefängissen gibt, könnte der Gefängnisbau in Rumänien ein Pilotprojekt sein. Die Wiener Freiheitlichen haben schon angeregt, österreichische Gefängnisse auch in anderen Ländern bauen zu lassen. Dass Ausländer mittlerweile die Mehrheit der Belegschaft in Wiener Gefängnissen ausmachen, sei »ein unhaltbarer Zustand für den Steuerzahler«, weiß etwa der stellvertretende Chef der Wiener Freiheitlichen, Heinz-Christian Strache. Deshalb sollten auch in Nigeria und der Türkei österreichische Knäste errichtet werden.

Noch erteilt Justizminister Böhmdorfer diesen Plänen eine Abfuhr: »Solche Vereinbarungen kommen nur mit Staaten infrage, die rechtsstaatliche Strukturen wie wir haben und sie verbessern wollen. Mit Staaten wie Nigeria kommt das nicht infrage, weil wir eine völlig andere rechtsstaatliche Kultur haben. Ich will gar niemanden an die Wand stellen, aber da gibt es zu wenige Gemeinsamkeiten.« Dies gelte nicht alleine für Nigeria, sondern auch für den ewigen EU-Beitrittskandidaten Türkei. Da freut man sich eigentlich vor allem darüber, dass der Justizminister immerhin »niemanden an die Wand stellen« will.