Wir war’n Helden

Dopinggerüchte um die Fußballweltmeister von 1954 von martin krauss

»Böser Verdacht« schreibt die Bild-Zeitung und stellt auf Seite eins die Frage: »Die Helden von Bern alle gedopt?« Und der Express fasst die Anklage so zusammen: »TV-Filme kratzen am Helden-Image.«

In Deutschland beginnt gerade die Heldenmaschine zu knattern. Vor fünfzig Jahren, am 4. Juli 1954, quasi unserem fourth of july, musste aus dem Hintergrund Rahn schießen, und Rahn schoss, und wir waren wieder wer, Fußballweltmeister nämlich. Sönke Wortmann hat mit dem »Wunder von Bern« den Film zum nationalen Gedenktag beigesteuert, des Kanzlers Augen tränten bei der Premiere, denn im Film wurde ja freundlicherweise erlaubt, dass auch deutsche Männer weinen dürfen.

An Büchern zu dem Ereignis, das der Historiker Arthur Heinrich »die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Wankdorf-Stadion zu Bern« nennt, mangelt es derzeit auch nicht. Da darf wohl die Stimme der Kritik auch nicht fehlen. Eine ZDF-Dokumentation, die am 27. April ausgestrahlt werden wird und die trotz Guido Knopp sehenswert zu werden scheint, räumt einer Doping-Hypothese breiten Raum ein, denn während der WM wurde der Mannschaft Vitamin C, Traubenzucker oder etwas anderes verabreicht, zum Teil gespritzt. Da die Kanülen nicht steril waren, erkrankten große Teile der Mannschaft an Hepatitis, und einige Spieler sind an den Folgen gar gestorben. Das gilt unstrittig für den Ersatzspieler Richard Herrmann aus Frankfurt, es gilt auch für den Kaiserslauterer Werner Liebrich (Jungle World, 48/03), und nach Informationen des Buchautors Jürgen Bertram gilt es auch für den Fürther Karl Mai. Ähnliches Material präsentierte jüngst auch das ARD-Magazin »Report Mainz«, in dem man erfuhr, dass der Platzwart des Wankdorf-Stadions »einige Ampullen gefunden« habe und vermutete: »Da war sicher etwas Verbotenes drin.«

Die Beweiskraft solcher Recherchen dürfte gering sein. Und sowohl der merkwürdige Umstand, dass der Deutsche Fußballbund bis heute allerlei unternimmt, damit die Fakten nicht präsentiert werden, als auch die schon etwas schwerer wiegende Information, im Testament des Trainers Sepp Herberger seien die Söhne des schon früh verstorbenen Richard Herrmann bedacht worden, vermögen die Doping-Hypothese, die doch suggeriert, der deutsche Finalsieg sei auf verbotene Weise zustande gekommen und moralisch ungültig, nicht zu erhärten.

Denn schließlich sollte man, egal wie es einem politisch zupass kommt, nicht vergessen, dass die bislang bekannten Substanzen Vitamin C und Traubenzucker waren, also weder damals noch heute verboten sind (und hoffentlich auch nicht verboten werden). Und man sollte auch nicht vergessen, dass, selbst wenn, wie ohne Indizien zum Teil suggeriert wird, Aufputschmittel verabreicht worden wären, diese im Jahr 1954 nicht verboten waren, ja, dass ihre Einnahme im damaligen Sport als normal und selbstverständlich galt.

Dass die bislang einzige in größerem Umfang zur Kenntnis genommene Kritik an der gegenwärtigen deutschen 54er Heldenmaschine der so schlecht belegte Umstand ist, da könnte vielleicht jemand mehr als nur Traubenzucker gespritzt haben, ist ärgerlich.

Es ist nämlich nur der nicht gerade subversive Vorwurf, die »Helden von Bern« seien leider gar nicht so heldenhaft, wie die deutsche Nation sie verdient hätte. Es ist, kürzer gesagt, nur das, was Bild einen »bösen Verdacht« nennt und was nach üblicher Rhetorik ausgeräumt gehört.