Die Ehre der Klitschkos

Zur Unmöglichkeit, ein promovierter Boxprofi zu sein von martin krauss

Der Schwergewichtsboxer Vitali Klitschko will am Wochenende Weltmeister des Verbandes WBC werden. Das sei, so liest man beinahe überall, eine Sache der Familienehre. Denn Vitali kämpft gegen Corrie Sanders, der seinem Bruder Wladimir im März 2003 den Titel der WBO wegnahm. Außerdem wurde Wladimir erst jüngst beim Versuch, den WBO-Titel wieder zu erhalten, von dem Amerikaner Lamon Brewster K.o. geschlagen.

Nun wird in Deutschland diskutiert, ob Wladimir zuckerkrank sei, ob er unter Drogen stand und ob er seine unbewusste Angstregulation nicht in den Griff bekam. Wenn denn mal die Sprache auf Lamon Brewster kommt, dann lässt man der Häme freien Lauf, als sei nicht dieser Brewster gerade Weltmeister geworden. »Er ist der schlechteste Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten«, weiß Dariusz Michalczewski, der auch gegen Brewster boxen will, und der beim gleichen Manager unter Vertrag stehende Luan Krasniqi, vielen noch durch seine Aufgabe gegen Przemyslaw Saleta 2002 bekannt, quäkt herum: »Lamon Brewster ist ein unwürdiger Weltmeister.«

Auch wenn Wladimir über große boxerische Klasse verfügt, so hat er doch ein Problem, das man hierzulande nicht so recht verstehen mag: Es geht bei ihm und seinem Bruder im Boxring nicht um alles. So wenig, wie es bei Henry Maske, bei Axel Schulz oder bei Sven Ottke um alles ging. Und weil es bei den Klitschkos nicht mal dann um alles geht, wenn sie sich auf dem lukrativen US-Markt durchsetzen sollen, hat Wladimir verloren.

»Es gibt Menschen, die keinen Hochschulabschluss und keine Lobby haben«, hat Don King, der gewiss nicht unkrimininelle amerikanische Boxpromoter, jüngst in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt. »Kein anderer Sport als das Boxen gibt jedem eine Chance. Du kannst direkt von der Straße kommen, aus dem Ghetto oder aus dem Gefängnis, und wirst mit offenen Armen empfangen, bekommst deine Chance.«

Wladmir, der promovierte Pädagoge und Sohn eines Generals, vertraute darauf, dass er nach Punkten führt, und vergaß, was einer wie Lamon Brewster nie vergessen könnte: dass im Berufsboxen ein einziger Schlag darüber entscheiden kann, ob man sein weiteres Leben im Luxus oder in Armut verbringen wird.

Die Klitschkos werden stets im Doppelpack vermarktet, ihr Vermarkter sagt im aktuellen Spiegel, sie würden in Deutschland »schon lange nicht mehr als Boxer wahrgenommen«, ihr Marktwert sei »resistent« gegen sportlichen Misserfolg. Ihr Versuch, nun in den USA Fuß zu fassen, dürfte auch dann gescheitert sein, wenn Vitali Klitschko am Wochenende gegen Corry Sanders gewinnt. Denn in den USA, wo man vom Boxen mehr versteht, als in den Doktorarbeiten der Klitschkos steht, hat man nicht vergessen, dass Vitali, als erstmals ein Kampfabend mit den Klitschkos live im US-Fernsehen gezeigt wurde, mit Schulterschmerzen aufgab und seinen Weltmeistertitel abgab. Und dass Wladimir innerhalb eines Jahres zwei peinliche Niederlagen hatte, auch nicht.

Es gibt nur eine Chance für die zwei Klitschkos. Sie müssen »das größte Ding seit Kain gegen Abel« (Knud Kohr) austragen: gegeneinander kämpfen.

Dann wird hoffentlich auch die Familienehre verprügelt.