Hass verbindet

Antisemitismus in Osteuropa von anton landgraf

»Durch den Beitritt der neuen osteuropäischen EU-Staaten werden Nationalismus und Antisemitismus durch die Hintertür zu uns hereinkommen. Darauf sind wir schlicht nicht vorbereitet«, warnte Julius Schoeps, der Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums, in der vergangenen Woche in Berlin.

So wichtig seine Mahnung auch ist, Schoeps vergaß, einen wesentlichen Aspekt zu erwähnen: Der Antisemitismus hat sich auch im westlichen Europa vermehrt. In Berlin und Paris gilt das Tragen einer Kippa wieder als riskant. Wer als Jude erkennbar ist, lebt gefährlich. Nach den jüngsten Umfragen des Wiener EU-Zentrums gegen Fremdenfeindlichkeit nahmen in den vergangenen Jahren antisemitische Übergriffe in fast allen westeuropäischen Ländern drastisch zu.

Lenkt also der Verweis auf Osteuropa nur vom eigentlichen Problem ab? Die Sache ist noch viel schlimmer. Der Antisemitismus aus dem Osten kommt nicht durch die Hintertür, vielmehr trifft er in Europa auf viele neue Freunde. Hinweise darauf, dass der Antisemitismus in Osteuropa weit verbreitet ist, gibt es mehr als genug. So protestierte Anfang des Jahres Kornél Döbrentei vom ungarischen Schriftstellerverband gegen den »moralischen Holocaust des Ungarntums«, der »von falschen Propheten in falschen Kleidern und Masken – nur ihre Bärte sind echt – geführt wird«.

Der Vorfall erregte zwar Empörung, zahlreiche Schriftsteller verließen den Verband. Die Äußerungen fanden jedoch auch regen Zuspruch bei Teilen der politischen und kulturellen Elite des Landes. Besonders großen Anklang fanden sie in der ländlichen Bevölkerung, die sich wegen des Beitritts zur EU und der damit verbundenen stärkeren Integration in den Weltmarkt bedroht sieht. Auf solche Ängste stützt sich auch die reaktionäre Bewegung des polnischen Bauernführers Andrej Lepper, die in den Umfragen weit vor allen anderen Parteien liegt.

Die Angst vor dem sozialen Abstieg und dem Verlust des sozialen Milieus geht mit dem Glauben an eine Verschwörung einher, die scheinbar nichts anderes im Sinn hat, als die nationale Gemeinschaft zu zerstören. Die »Liberalbolschewiken«, die »Kosmopoliten« oder schlicht die »Urbanen« würden das Land verkaufen, heißt es.

Wie in den dreißiger Jahren denunziert die völkische Ideologie die urbane Moderne als Ursache für die »nationale Zersetzung« und verbindet diese Anklage mit einem romantischen Rekurs auf das ursprüngliche bäuerliche Leben. So erklärte der rechtsextreme ungarische Politiker István Csurka, dass »der internationale Mensch der verlängerte Arm der Globalisierung ist«. Und die Inkarnation dieses »heimatlosen Menschen« seien die Juden.

Csurka ist der Meinung, die »Liberalbolschewisten« hätten das Land in die kapitalistische Kulturglobalisierung geführt. Die Juden gehörten mit der alten Nomenklatura und der internationalen Finanzwelt zu den ewigen Verschwörern gegen die Nation. Der antisemitische Kulturnationalismus verbindet sich so mit einer reaktionären Globalisierungskritik.

Die Juden, so lautet die Botschaft, stecken hinter allen Übeln, die der globalisierte Kapitalismus mit sich bringt. Seine Anführer sitzen in Tel Aviv, seine Helfer in New York und Washington. Diese Botschaft kommt auch in Old Europe schon längst nicht mehr durch die Hintertür. Der Haupteingang steht offen.