Fucking for Virginity

Folter mit System von jörn schulz

Auch Foltern ist eine Wissenschaft. 1963 erstellte die CIA ein Handbuch über »Counterintelligence Interrogation«, zwanzig Jahre später wurde die aktualisierte Neuauflage »Human Resource Exploitation Manual« unter den Geheimdienstlern verteilt. In der Zwischenzeit hatte man unter anderem gelernt, dass die klassische physische Folter kontraproduktiv sein kann. Denn der Gefangene bemüht sich, seine Verhörer zufrieden zu stellen, erzählt aber nur selten die Wahrheit.

Für die Gewinnung von Informationen sind etwas subtilere »Zwangsmethoden«, so der CIA-Jargon, erforderlich. Sie sollen »eine Regression bewirken«, die den Gefangenen dazu bringt, seinen Verhörer – der in der Regel nicht selbst foltert – als Vaterfigur zu akzeptieren, der er sich offenbart. Reizentzug, die Unterbrechung der normalen Ess- und Schlafrythmen, Erniedrigungen und der Zwang, in schmerzhaften Positionen zu stehen, gehören zu den von der CIA empfohlenen Methoden. Von sexuellen Demütigungen ist in den Handbüchern nicht die Rede. Doch auch über solche Praktiken bei Verhören mit Beteiligung der CIA wurde immer wieder berichtet, unter anderem von ehemaligen Agenten wie John Stockwell.

Die Indizien sprechen dafür, dass die Folterpraktiken im Irak ein Teil der Strategie der Aufstandsbekämpfung (Counterinsurgency) waren, bei der die ursprünglich für den Kampf gegen die Linke entwickelten Methoden umstandslos übernommen wurden. George W. Bush wäre als Oberbefehlshaber der Streitkräfte verantwortlich für solche Praktiken, auch wenn er über die Details nicht informiert war und viele dirty jobs privaten Firmen übertragen wurden. Die angekündigte schonungslose Aufklärung wird es also nicht geben, zumal auch die Demokraten kein Interesse daran haben, den Militär- und Geheimdienstapparat zu diskreditieren.

Gemessen am üblichen Vorgehen von Besatzungsmächten agieren die US-Truppen im Irak in vielerlei Hinsicht zurückhaltend und kompromissbereit. Anders als in Vietnam verzichtet man auf Flächenbombardements, die die Kämpfe um Falluja längst beendet hätten. Immer wieder macht die US-Verwaltung den im Regierungsrat vertretenen Parteien und sogar den gegen sie kämpfenden rechtsextremen Milizen Zugeständnisse. Und die US-Wiederaufbauhilfe von mehr als 20 Milliarden Dollar ist die bislang großzügigste westliche Investition in das nation building.

Doch der Militär- und Geheimdienstapparat gehorcht seinen eigenen Gesetzen. Zweifellos ist der Druck, Erfolge vorzuweisen, mit der Zahl der getöteten US-Soldaten gestiegen. Dass die Methoden der Counterinsurgency, die sich perfekt in die Strategie der Unterstützung rechtsextremer lateinamerikanischer Diktatoren einfügten, beim Aufbau einer bürgerlichen Demokratie kontraproduktiv sein könnten, ist offenbar weder den Tätern noch ihren Befehlshabern in den Sinn gekommen.

Das Problem ist nicht allein, dass Bürokraten, Offiziere und Politiker mit einer ungewohnten neuen Aufgabe nicht zurechtkamen, für die Demokratie foltern ließen und auch noch mit erstaunlicher Naivität glaubten, das ließe sich geheim halten. Eine Besatzungsmacht, die den Mangel an gesellschaftlichen Demokratisierungskonzepten durch Bündnisse mit lokalen Machthabern kompensiert und nun sogar auf die ba‘athistische Elite zurückgreifen will, ist bei der Gewinnung von Informationen über ihre bewaffneten Feinde auf repressive Mittel angewiesen. Folter ist nicht die zwangsläufige, aber eine wahrscheinliche Folge. Und mit der Schaffung der Kategorie des enemy combatant, dem Menschenrechte bestenfalls als Gnadenakt gewährt werden, hat die US-Regierung die Hemmschwelle noch einmal herabgesetzt.