Torture Incorporated

Die CIA und private Sicherheitsunternehmen waren für die Verhöre irakischer Gefangener verantwortlich. Sie werden beschuldigt, die Folterungen angeordnet zu haben. von martin schwarz, wien

Lange war es aus dem Sprachgebrauch der US-Regierung verschwunden, jetzt macht es wieder Karriere. Das Wort »unamerikanisch« war vor dem Irakkrieg jenes Label, das Mitglieder des Kabinetts von George W. Bush den Zauderern und Kriegsgegnern und den Kritikern des außenpolitischen Kurses des Präsidenten verpassten.

Jetzt fand Donald Rumsfeld eine neue Verwendung für die Wortkreation. »Unamerikanisch«, so der Verteidigungsminister am vergangenen Freitag vor einem Ausschuss des US-Senats, hätten jene Soldaten gehandelt, die im Irak Gefangene folterten. Drei Stunden hatte Rumsfeld vor den Senatoren Rede und Antwort zu stehen, einen Großteil dieser Zeit aber füllte er mit einem langen Statement, um die Fragezeit möglichst kurz halten zu können.

Er schien es nötig gehabt zu haben, denn im Unterschied zu allen bisherigen Krisen, die der Verteidigungsminister überstand, wirkte er diesmal sichtlich nervös. Nichts mehr war zu merken von jener Eigenschaft, die Rumsfeld in den vergangenen Jahren den Beinamen »Teflon-Mann« eingebracht hatte, dass er nämlich das Talent besaß, alle Vorwürfe an sich abperlen zu lassen.

Auch wenn einige der demokratischen Senatoren und Kongressabgeordneten den Rücktritt Rumsfelds fordern, wird George W. Bush das nicht zulassen. So kurz vor den nächsten Präsidentschaftswahlen kann er es sich nicht erlauben, einen seiner wichtigsten Minister zu feuern. Andererseits bietet er damit seinem demokratischen Herausforderer John Kerry eine breite Angriffsfläche. Auf Kerrys Website wurde eine Petition veröffentlicht, die den Rücktritt Rumsfelds fordert. Bisher haben rund 200 000 Menschen unterschrieben.

Mittlerweile wird auch immer klarer, dass die Folterungen irakischer Gefangener nicht allein auf sadistischer Energie der beteiligten Soldaten basieren, sondern durchaus systematisch waren und einem gewissen Zweck dienen sollten: der Optimierung des Informationsflusses zwischen Gefangenen und den Geheimdiensten.

Während des Verhörs eines der beteiligten Soldaten im April dieses Jahres wurde deutlich, dass amerikanische Geheimdienste ein Interesse daran hatten, die Gefangenen gefügig und auskunftsfreudiger zu machen. »Glauben Sie wirklich, dass diese Kids aus den ländlichen Gebieten Virginias für sich entschieden haben, das zu tun? Dass es der beste Weg wäre, Araber zu demütigen, indem man sie nackt posieren lässt?«, fragte Gary Myers, ein Anwalt, der schon in den siebziger Jahren Verteidiger von US-Soldaten war, die das Massaker von My Lai in Vietnam zu verantworten hatten.

Tatsächlich ist es schwer zu glauben, dass die US-Soldaten im Gefängnis von Abu Ghraib ganz alleine eine derartige Perfektion bei den Folterungen erreichten. Es war nicht das Establishment, das da folterte, es war offensichtlich das Establishment, das die Folterungen als probates Mittel ersann, Informationen zu gewinnen.

Das belegen auch Aussagen des US-Soldaten Chip Frederick. Im Januar schrieb er in Briefen und E-Mails, dass es in Abu Ghraib zu Folterungen gekommen war, die indirekt von der CIA, anderen Geheimdiensten und privaten Sicherheitsfirmen befohlen worden waren. »Guter Job«, ließen die Agenten die Soldaten wissen, wenn wieder einmal ein irakischer Gefangener, von Folterungen und Demütigungen entkräftet, zu plaudern begonnen hatte.

Dass insbesondere die CIA in den irakischen Gefängnissen befugt war, die Verhöre durchzuführen, hatte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld selbst zu verantworten. Kurz nach der Verhaftung Saddam Husseins im Dezember 2003 entbrannte zwischen den unzähligen amerikanischen Geheimdiensten und Pentagon-Dienststellen ein heftiger Streit darüber, wer denn nun Saddam Hussein verhören dürfe. Weil der Verteidigungsminister mit der CIA-Arbeit in den Monaten zuvor zufrieden war, erhielt die Agentur schnell den Zuschlag. »Es war eine Entscheidung, für die ich drei Minuten brauchte, und die ersten zwei Minuten verbrachte ich mit Kaffeetrinken«, so Rumsfeld.

Die CIA ist – gemeinsam mit privaten Sicherheitsunternehmen – vor allem für die Befragung jener Gefangenen zuständig, von denen vermutet wird, dass sie in den bewaffneten Kampf gegen die US-Besatzung eingebunden sind. In Abu Ghraib, dem größten Gefängniskomplex des arabischen Raums, der während der Herrschaft Saddam Husseins zeitweilig mit 75 000 Insassen gefüllt war, wurden diese Gefangenen in einem gesonderten Block untergebracht, der von CIA und privaten Sicherheitsconsultern verwaltet wird.

Genau diese Involvierung der Geheimdienste und Sicherheitsfirmen in die Kommandostrukturen der Gefängnisse wurde schon Ende Februar in einem 55seitigen Bericht des US-Generalmajors Antonio M. Taguba kritisiert. Der Bericht untersuchte Dutzende Folterungen, die zwischen Oktober und Dezember 2003 in Abu Ghraib und anderen Gefängnissen stattgefunden haben sollen. Organisiert wurden die Verhöre von CSC Dyncorp, das immerhin rund 1 000 seiner Mitarbeiter in den Irak entsandte, um den 500 Millionen Dollar schweren Auftrag des US-Außenministeriums durchzuführen.

Dyncorp mit Hauptsitz in Reston, Virginia, ist unter anderem an der Organisation der Gefängnisse und dem Training irakischer Polizeieinheiten beteiligt. Zumindest die Aussagen einiger in den Folterskandal verwickelter Soldaten legen die Vermutung nahe, dass Angehörige privater Sicherheitsfirmen wie Dyncorp auch persönlich an den Vorgängen in Abu Ghraib beteiligt waren.

Das Engagement von Dyncorp im Irak war in den Vereinigten Staaten durchaus umstritten: Amerikanische Kongressabgeordnete hinterfragten die Entscheidung von Richard Armitage, Staatssekretär im US-Außenministerium, schon wegen der Involvierung Dyncorps in einen Mädchenschmuggel-Skandal in Bosnien und einer gewissen Nähe zu kolumbianischen Drogengeschäften. Armitage aber tat die Einwände der Senatoren und Abgeordneten in einem Brief leichtfertig ab: »Es ist sehr schade, dass die Taten einiger weniger die ehrenhafte Arbeit so vieler anderer überschatten.«

Armitage kennt sich mit der ehrenhaften Arbeit der vielen anderen aus. Bevor er ins US-Außenministerium wechselte, war er im Vorstand der Caci-Group, eines Sicherheitsconsulters, der nun ebenfalls im Irak aktiv ist und dessen Mitarbeiter ebenso unter Verdacht stehen, die Folterungen irakischer Gefangener verantwortet zu haben. Dyncorp wiederum wurde engagiert, als im Irak noch der etwas glücklose Verwalter Jay Garner residierte. Und auch er war schon mal im privaten Sicherheitsbusiness aktiv. Beim Consulting-Unternehmen MPRI nämlich, das vor zwei Jahren recht enge Bande zu den albanischen Rebellen in Mazedonien knüpfte und dessen Statthalter in Skopje von der mazedonischen Regierung des Landes verwiesen wurde. Und auch Paul Bremer, der derzeitige amerikanische Statthalter im Irak, hat enge persönliche Bindungen an die Kommerz-Krieger: bevor er in den Irak geschickt wurde, war er Chef der Marsh Crisis Consulting Company.

Noch ist nicht geklärt, wie tief US-Sicherheitsfirmen in das Foltersystem in irakischen Gefängnissen verstrickt sind, der Taguba-Report aber identifiziert zumindest zwei der Mitarbeiter von Caci als kommerzielle Folterknechte. Steven Stephanowicz und John Israel sollen »entweder direkt oder indirekt für die Misshandlungen verantwortlich gewesen sein«. Aus dem Caci-Hauptquartier in Arlington, Virginia, hört man dazu wenig. Am Mittwoch der vergangenen Woche teilte Caci der Presse mit, weder von der Armee noch vom Pentagon über die Beschuldigungen informiert worden zu sein.