Durchgekaut & ausgespien

Zur neuen Platte von Workshop

Das Kölner Free-Form-Freakout-Kollektiv Workshop verkörpert einen der aktuell interessantesten Wege, mit der geschwundenen Hegemonie angloamerikanischer Populärmusikmodelle umzugehen. Die Truppe um die Künstler Kai Althoff und Stephan Abry steht für eine über Jahre gewachsene Praxis, die sich durch eine gewisse Weltabgewandtheit und auf jeden Fall durch Kompromisslosigkeit auszeichnet. Was auf keinen Fall mit Autismus verwechselt werden darf: Workshop greifen im Gegenteil auf aktuelle und klassische Popmusiken und ihre zu banal-brutalen Klischees geronnenen Ausdrucksweisen zurück, um sie radikal als Moment ihrer eigenen Arbeitsweise anzueignen.

Workshop schöpfen auf »Yog Sothoth«, ihrem siebten Album seit 1990, aus dem Vollen: 20 Songs, fast 80 Minuten Spielzeit, hier wird was geboten. Es scheint, als ob die Gruppe all das, was in den letzten zehn Jahren in Köln, aber gerade auch weit jenseits der Domstadt musikalisch wichtig war, aufgesogen, durchgekaut und wieder ausgespien hätte: House, Rock in der Tradition von Can, Post-Punk à la S.Y.P.H., Disco, harter Retrorock der New Yorker Schule, Freeform-Experimente, Westcoast-Psychedelic-Folk. »Regeln oder Disziplin sind für mich eigentlich Schimpfworte. Wenn ich jemanden höre, der mir von Disziplin anfängt, dann schalte ich direkt ab, das ist für mich überhaupt nichts, weil ich glaube, Disziplin ergibt sich automatisch aus einem Interesse an etwas«, heißt es auf einer Promo-Kassette zum Album, die verschickt wurde.

»Yog Sothoth« wirkt wie ein großer Katalysator, ist maßlos und überbordend, dynamisch und kraftvoll, ohne dass es den Klischees von »harter Musik« entspricht, die man mit diesen genannten Adjektiven verbindet. Dafür sorgen »verbotene« Geräusche (Mundharmonika, Elektroschlagzeug, dröhnende Synthesizerflächen) und vor allem die entrückte, sich überschlagende, immer superpräsente Stimme Kai Althoffs, der selbst Gassenhauer längst vergangener Kirchentage deklamiert: »Ich möchte gerne Hände reichen, wo jemand anderes Fäuste ballt. Herr gib mir Mut zum Brücken bauen, gib mir den Mut zum ersten Schritt«, heißt es an einer Stelle. Dazu wird seine Stimme durch den Auto-Tune gejagt, jenes Effektgerät, dass etwa von Daft Punk im Dienste des knalligen Popsongs eingesetzt wurde (nachzuhören auf ihrem Hit »One more Time«). Hier aber kommt die manipulierte Stimme so verzerrt rüber, dass der Hörer diese nur noch beklemmend entmenschlicht wahrnehmen kann. Kai Althoff: »Für mich ist diese Platte ein bisschen wie eine Reise, die durchaus auch an Orte geht, wo man nicht unbedingt gerne hinreist, aber dann froh war, dort gewesen zu sein, der Erfahrung wegen.«

Man sollte »Yog Sothoth« als feines Netzwerk verstehen, in dem die verschiedenen musikalischen Stimmungen und Anklänge an glamouröse wie auch komplett peinliche Pop- und Jugendkulturen der letzten 30 Jahre in einem genau abgestimmten Verhältnis zueinander stehen. Wir haben es mit kaleidoskopischer Musik zu tun. Wenn das Idiosynkrasie ist, dann ist Idiosynkrasie gut.

felix klopotek

Workshop: Yog Sothoth (Sonig/Rough Trade)