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Legalisierte Vergewaltigung

Türkei. Wenn ein Vergewaltiger sein Opfer heiratet, ist das eine prima Sache. Derartige Vorstellungen liegen zumindest der türkischen Rechtsprechung zu Grunde. Bei einer Eheschließung kann der Vergewaltiger vor Gericht mit Strafreduzierung oder sogar Freispruch rechnen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stellte am Mittwoch vergangener Woche einen Bericht über Gewalt gegen Frauen in der Türkei vor, in dem u.a. diese Rechtspraxis angeprangert wird. Mehr als ein Drittel aller türkischen Frauen erleben familiäre Gewalt. »Sie werden zwangsverheiratet, misshandelt, vergewaltigt und ermordet«, heißt es in dem Bericht. Gewalt in der Familie gelte als Privatsache. Zudem werde Strafanzeigen von Frauen nur ungenügend nachgegangen, nur wenige Täter würden gerichtlich verfolgt, und akut bedrohte Frauen könnten kaum mit polizeilicher Hilfe rechnen. Gleichzeitig lobt die Organisation die Regierung wegen der vorgesehenen Reform des Strafgesetzbuches, mit der die Gewalt gegen Frauen eingedämmt werden soll.

Friedenspfeifchen geraucht?

Dänemark. Das dänische Parlament hat am vergangenen Dienstag das so genannte Gesetz L 205 zur »Normalisierung« des Hippieparadieses Christiania (Jungle World, 24/04) mit großer Mehrheit verabschiedet. Sie kam zustande, weil die rechte Koalitionsregierung in letzter Minute den Vorschlag der Christiania-Anwälte berücksichtigte. Er sieht ein Fondsmodell vor, welches die Eigentumsfrage klären würde: Ein gemeinnütziger Fonds würde den Staat als Besitzer des Geländes ablösen. So könnte man der Regierung in der Frage der Legalisierung entgegengekommen und gleichzeitig den Freiraum Christiania erhalten. Ziel ist ein legaler Rahmen für die jetzige Selbstverwaltung des »Freistaates«. Inwieweit dieses Modell tatsächlich im weiteren Verlauf eine ernsthafte Berücksichtigung finden wird, bleibt unklar, es darf befürchtet werden, lautet eine Stellungsnahme der »Initiative zur Verteidigung Christianias«, dass es sich lediglich um einen politischen Schachzug handelt, mit dem sich die Regierung die Zustimmung für L 205 gekauft hat.

Während das Parlament beriet, fanden Aktionen, Demonstrationen und Straßentheater überall in Kopenhagen statt. Der geplanten »Normalisierung Christianias« sollte der Tag der »Christianisierung Kopenhagens« gegenüber gestellt werden. Diese Drohung scheint gewirkt zu haben.

Benes statt Stoiber

Tschechien. So wie es im Moment aussieht, bleibt die Tschechische Republik in den kommenden Jahren von der Anwesenheit des bayerischen Ministerpräsidenten verschont. Edmund Stoiber versprach auf dem alljährlichen Pfingsttreffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Nürnberg, Tschechien von seinem Besuchsprogramm zu streichen, solange die Benes-Dekrete und alles, was damit zusammenhängt, aufrechterhalten werden. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Pat Cox, sagte einen Tag später in Prag, es sei nicht erforderlich, sich weiterhin mit den Benes-Dekreten zu befassen. »Sie stehen nicht auf der Tagesordnung und sind keine Frage für die Zukunft, sondern eine Lehre aus der Vergangenheit«, betonte er. Auch die Europäische Kommission hält die Frage der Dekrete für beantwortet und abgeschlossen, so Pressesprecher Jean-Christophe Filori. Der tschechische Präsident Václav Spindla erklärte, die Bemühungen um eine Aufhebung der Dekrete sei ein Versuch, die Geschichte umzuschreiben.

Der ehemalige Präsident, Edvard Benes, der die Dekrete unterzeichnete, die u.a. die Aussiedlung der Deutschen aus der Tschechoslowakei nach 1945 regelten, steht in der ganzen Welt weiterhin in gutem Ruf. Aus Anlass seines 120. Geburtstags weihten tschechische Kriegsveteranen am letzten Freitag in Cesky Krumlov eine Büste des Politikers ein. Die Initiative für die Ehrung ging von Piloten der britischen Royal Air Force aus, die ebenfalls an der Feier teilnahmen.

Professionelle Heimwerkerei

Bulgarien. Da für eine Einreise in die Europäische Union nahezu unüberwindliche bürokratische Hindernisse zu bewältigen sind, ist es kein Wunder, dass Interessenten dazu übergehen, selbst passende Reisedokumente herzustellen oder herstellen zu lassen. In der letzten Woche fanden Europol-Beamte, Mitarbeiter des US-amerikanischen Geheimdienstes und einheimische Sicherheitskräfte bei einer Großrazzia in Bulgarien gefälschte Visa, Falschgeld und Waffen. Der Direktor von Europol, Jürgen Storbeck, bezeichnete den Einsatz als großen Erfolg. Gleichzeitig zeigte er sich beunruhigt wegen der guten Qualität der gefälschten Visa, die zu Reisen nach Deutschland, Frankreich und Griechenland berechtigt hätten. Auch die Blüten im Wert von mehreren Millionen Euro seien sehr professionell hergestellt worden. Sie seien, behauptet Storbeck, nicht einmal von Automaten erkannt worden. Die zweitägige Razzia fand in Sofia und vier weiteren Städten im Süden des Landes statt. 15 Personen sollen festgenommen worden sein.

Europa babylonisch

Brüssel. Der Turmbau von Babel verlief nicht erfolgreich, weil sich die Menschen, mit verschiedenen Sprachen gesegnet, nicht verständigen konnten. Scheitert auch die Europäische Union an diesem Problem? Nach der Erweiterung gibt es jedenfalls 20 Amtssprachen, in die jedes einzelne Dokument übersetzt werden muss. Zwei Millionen A 4-Seiten sollen die 2 400 Dolmetscher jährlich bewältigen. Das schaffen sie aber nicht. Zurzeit führt das zu einem dramatischen Stau. 60 000 Seiten Dokumente des Jahres 2003 warten immer noch auf ihre Übersetzung. Es kommt deshalb zu erheblichen Verzögerungen bei der Gesetzgebung. Der Beschluss zweier wichtiger Richtlinien zum Finanzbericht musste bereits um sechs Monate verschoben werden. Bis zum Jahr 2010 will Brüssel nun die Zahl der Dolmetscher auf rund 4 000 aufstocken.