Sonderkommando Fleischkloß

In der Dokusoap »taff.spezial – Die Aufpasser« von Pro Sieben werden traurige polizeiliche Schnüffeleien glorifiziert. von martin schwarz

Toto und Harry, die beiden clownesken Cops aus dem Ruhrpott haben den Trend vor Jahren auf Sat.1 begründet, jetzt ist er nicht mehr zu stoppen: Deutschlands Privatsender pirschen in manischem Eifer jeder Spur menschlichen Lebens nach, das in seiner Gesäßtasche den Ausweis eines Amtes mit sich trägt, ein mit phantasievollen Wappen geschmücktes Käppchen auf dem Haupte hat und in irgendeiner Weise als Beamter sein Leben fristet. Dokusoaps über das leidlich abwechslungsreiche Leben von Ordnungshütern sind offensichtlich genau der Ausweg aus der Big-Brother-Krise, den die Privatsender gesucht haben. Die wohl umfassendste Ordnungshütershow bietet derzeit Pro Sieben, wo mit »taff.spezial – Die Aufpasser« jeden Wochentag von 18 bis 19 Uhr Beamten in allen Aggregatzuständen nachgestellt wird: Ordnungsamt, Zollamt, Lebensmittelamt, Jugendamt, Polizei – sie alle werden jetzt von den Trash-TV-Experten von Pro Sieben begleitet, und so erfährt der Zuseher täglich aufs Neue, dass der hässliche Deutsche immer noch in eine Uniform schlüpfen darf und orgiastische Gefühle zu entwickeln imstande ist, wenn er seiner nicht beamteten Umwelt unglaublich effizient das Nervenkostüm zerknittert und doch damit bloß den gesamtgesellschaftlichen Nutzen eines Schlaglochs auf der Autobahn generiert.

Vor kurzem hat »taff.spezial – Die Aufpasser« die Aufpasser des Hauptzollamts Dresden auf ihren Wegen durch diese schöne alte Stadt der früheren DDR begleitet. Der Zuseher durfte erfahren, dass sich Mario Weigelt, Zollamtshauptsekretär, und seine Kollegin Eva Berger gar rührend um die Verhinderung von Schwarzarbeit kümmern.

Vorwiegend auf Baustellen natürlich und auch noch erfolgreich, weil der »Instinkt«, so vermittelte der Sprecher aus dem Off, die Beamten des Hauptzollamts Dresden meist zu den Schwarzarbeitern führt. »Das Einsatzkommando vom Hauptzollamt Dresden sichert zuerst die Fluchtwege«, informiert die Pro-Sieben-Stimme bar jeder Ironie, die Kamera schwenkt auf die sympathische Zöllnerin Eva Berger, wie sie – die Hand an der Waffe – irgendwo auf einer Baustelle steht und auf den unter Umständen gleich ins Bild hüpfenden bösen Polen wartet, der rechtswidrig Zement mischt. Wie Pro Sieben nämlich aus erster Hand erfahren durfte, ist es für die Beamten total wichtig, die Schwarzarbeiter beim Arbeiten und nicht bloß beim Herumstehen zu erwischen. »Wir müssen die wirklich bei der Arbeit sehen, sonst fallen wir hinten runter«, grammatisiert Zollamtshauptsekretär Mario Weigelt in die Pro-Sieben-Kamera.

Auch in einer Kneipe wird eine Razzia durchgeführt – da schien besonders Gefahr im Verzug: »Verdächtige Schwarzarbeiter in Dresden! Sie haben Fleischklöße hergestellt«, erfahren wir. Pro Sieben weiß eben, wie der Wirtschaftsstandort Deutschland vielleicht doch noch zu retten ist: indem man verdächtigen Schwarzarbeitern in Dresden, die höchstwahrscheinlich illegale Fleischklöße herstellen, das mindestens ebenso illegale und volkswirtschaftlich ruinöse Handwerk legt.

In einer anderen Kneipe werden die dynamischen Zöllner nicht fündig, als sie einen Angestellten kontrollieren: »Eva Berger gibt Entwarnung: Die Papiere sind in Ordnung«, beruhigt Pro Sieben aus dem Off die Nation. Das ist ja noch mal gut gegangen. Nicht auszudenken, wenn die Zöllner auch hier ein geheimes Fleischklößeproduktionslabor ausgehoben hätten.

Das wirklich Ekelerregende an »taff.spezial – Die Aufpasser« ist vermutlich weniger die Eichung der porträtierten Beamten als klassische Paragraphenfetischisten, sondern die Law-and-Order-Propaganda, die da bei jedem neuen Fall aus dem Off ins Ohr des Zusehers schwappt. Pro Sieben versteht es, mit den »Aufpassern« zu vermitteln, dass wir, ja, wir alle, es nur diesen mutigen, selbstlosen, grandios eifrigen Beamten zu verdanken haben, dass wir, ja, wir alle, nicht im Sumpf des Verbrechens oder in der rechtswidrigen Fleischklößesauce absaufen. Besonders gilt das natürlich für eine andere Beamtengruppe, die »taff.spezial – Die Aufpasser« adoptiert hat: die Neurotiker vom Ordnungsamt. Gerne begleiten etwa die Pro-Sieben-Spezialisten ein Team des Ordnungsamtes Kassel durch dieses verschlafene Nest und zeigen, wie junge Männer in durchaus noblen Stadtvierteln dazu gezwungen werden, ihre gemeinhin als gefährlich einzustufenden Yorkshire-Terrier an die Leine zu nehmen. »In Kassel herrscht allgemein Leinenzwang«, klärt da die nette Frau vom Ordnungsamt auf, und als der junge Mann verbal zurückschnappt, das alles sei ja »lächerlich«, und ob die nette Frau vom Ordnungsamt »nichts anderes zu tun hat«, kommt aus dem Off die televisionäre Verurteilung durch das Pro-Sieben-Tribunal zur Rettung von Deutschlands Bürgersteigen vor Terrierscheiße: »Der junge Mann zeigt sich uneinsichtig.« Die Frau vom Ordnungsamt ist unerbittlich: Hund anleinen, Verwarnung, mündlich, dass so was nicht wieder vorkommt.

Auch durch Magdeburg wird ein Duo des Ordnungsamts begleitet. Dort wird Veronika Lenge, eine 54jährige schwerst von ihrem Job eingenommene Ordnungsbeamtin porträtiert, die illegalen Alkoholkonsum eines Mannes in der Fußgängerzone verhindert. Die ganze Nation ist beruhigt und wähnt sich in einem sicheren Land.

Total von menschlicher Größe zeugte auch jener »Die Aufpasser«-Fall, als Ordnungspsychotiker in einer anderen deutschen Stadt einen – Alarm! – Türken beobachteten, der sich irgendwo in den Büschen von der Funktionsfähigkeit seines Stoffwechsels überzeugt hatte. Die Ordnungspsychotiker stellten sich hinter den Stoffwechselattentäter, warteten, bis der abgeschüttelt hatte und brummten ihm dann grinsend 15 Euro Strafe auf.

Wäre »taff.spezial – Die Aufpasser« nicht ins Sendeschema von Pro Sieben gerutscht, hätte die Nation kaum erfahren, wie effizient Deutschlands unverzichtbarste Sicherheitsdienste arbeiten. Türken beim Pinkeln aufzulauern, den Leinenzwang in Deutschlands Topmetropole Kassel rigoros zu exekutieren oder einfach nur einen Mann von der Flasche wegzuholen, beziehungsweise den Mann samt Flasche aus der Fußgängerzone in Magdeburg zu entfernen – dafür müssen Kommunen einfach Millionen ausgeben. Und der Kassler Ordnungsbeamtin und ihrer Magdeburger Kollegin Veronika Lenge glaubt man gerne, dass sie sich selbst in Handschellen legen würden, wenn sie sich dabei ertappten, ihren Hund ohne Leine durch die Städte dieses schönen Landes zu treiben.

Nicht ganz klar allerdings wird, warum jüngst auch die Crew eines Lufthansa-Fluges von Buenos Aires nach Frankfurt porträtiert wurde. Okay, irgendwann einmal hat eine Stewardess blitzschnell erschnüffelt, dass einer ihrer Passagiere auf der Toilette geraucht hatte. Aber mehr war da nicht. Letztlich uriniert ja kaum jemand in einem Airbus in die Ecke, und mit dem Hund kann man hier auch nicht Gassi gehen – weder mit noch ohne Leine.