Frank hat frei

Ruhrfestspiele ohne Castorf

»Ich dachte ja, ich wäre jetzt der Rudi Völler des deutschen Theaters! Aber nun bin ich es wohl doch nicht«, alberte Intendant Frank Castorf im Grünen Salon der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Nachdem der künstlerische Leiter der Ruhrfestspiele vergangene Woche wegen Zuschauerschwunds vom Deutschen Gewerkschaftsbund als Gesellschafter des Festivals und dem Recklinghausener Oberbürgermeister Wolfgang Pantförder (CDU) nach nur einer Spielzeit gefeuert worden war, machte er sich in einer eigenen Pressekonferenz in Berlin Luft.

Castorf will mit juristischen Schritten um die Einhaltung seines bis 2007 gültigen Vertrags kämpfen. Pantförders Vorwurf mangelnder Professionalität im Festivalmanagement will er nicht gelten lassen. »Auch der Behauptung, ich hätte dort eine Art Volksbühne-West aufmachen wollen, widerspreche ich entschieden«, erklärte der Regisseur. Tatsächlich hatte Castorf neue kreative Impulse in das Ruhrfestival eingebracht, aber auch international renommierte Regisseure wie Luc Bondy verpflichtet, die mit dem üblichen Volksbühnenumfeld wirklich nichts zu tun haben.

»Ich habe das ja alles schon einmal in der DDR erlebt«, ging Castorf zum Gegenangriff über. Damals hatte er einen arbeitsrechtlichen Prozess, in dem ihn Gregor Gysi anwaltlich vertrat, gegen das brandenburgische Provinztheater Anklam gewonnen. Castorf verlangt jetzt genauere Angaben zu seinen angeblichen Vertragsverletzungen und spricht von einem »skandalösen Paradigmenwechsel«. Kunst werde in Deutschland nur noch nach wirtschaftlichen Kriterien, nicht aber nach Inhalten bewertet. Er habe den Posten nicht angenommen, um Konzerte mit Udo Lindenberg oder Esther Ofarim zu organisieren.

Vor allem im DGB machte Castorf nichts als »universelle Kleinbürgerlichkeit«, »skandalöse Umgangsformen« und eine geradezu »stalinistische Paranoia« aus, »nach dem Motto: Lieber Frank, wir geben dir das Geld, und dies ist der Dank!« Zwar forderten die Adressaten Castorf unmittelbar nach der Pressekonferenz zu einer Entschuldigung für seine »Entgleisung« auf, doch auch Gérard Mortier, der Intendant der Ruhrtriennale, bezeichnete die Entlassung Castorfs in einer Stellungnahme bereits als »Armutszeugnis ohnegleichen«, das an »schlechteste DDR-Zeiten« erinnere.

Mit einem Defizit von 700 000 Euro stehen die Ruhrfestspiele zwei Wochen nach ihrem diesjährigen Ende kurz vor dem Bankrott. Die Besucherauslastung lag nur noch bei 35 Prozent. Doch was sollte der Rausschmiss daran ändern? Soll das Festival zum publikumswirksamen Komödienstadl umfunktioniert werden? Erst mal haben die Verantwortlichen jedenfalls Stress mit Castorf: »Was jetzt kommt, sind die Spätfolgen von Anklam. Ich betrachte das als offenes Kampffeld«, drohte der international erfolgreiche Intendant lachend.

»Natürlich waren die Publikumsreaktionen nicht die, die ich mir gewünscht habe«, räumte Castorf ein. »Daraus kann man lernen – ich bin ein vernunftbegabtes Tier, aber kein Opportunist!« Vielleicht sollte sich Castorf mit dem Spruch wirklich gleich beim DFB als neuer Nationaltrainer bewerben. Das ergäbe sicher besseres Theater als die Recklinghausener Komödie.

jan süselbeck