Keine Ruh’ für niemand

Auslieferung von Cesare Battisti von bernhard schmid, paris

»Das ist ein großer Sieg für die Regierung«, triumphierte Italiens Justizminister Roberto Castelli von der rechtsextremen Lega Nord, nachdem die Strafkammer des Pariser Gerichts am vergangenen Mittwoch das Auslieferungsbegehren der italienischen Regierung für den ehemaligen linken Militanten Cesare Battisti für »rechtskonform« erklärt hatte. Noch kann das oberste Gericht das Urteil in der Berufung kippen; bestätigt sie es in den nächsten vier Monaten, dann hat die französische Regierung nach freiem Ermessen über die Auslieferung zu beschließen. Diese hat sich aber bereits entschieden: Justizminister Dominique Perben kündigte am Montag vergangener Woche, schon vor dem Richterspruch, eine Durchführung der Auslieferung an; Präsident Jacques Chirac äußerte sich am Freitag entsprechend.

»Die Justiz ist vielleicht langsam, aber ihr werdet keine Ruhe finden. Wir werden euch überall und für alle Zeit verfolgen«, fügte Castelli, an die Adresse »der Terroristen und Kriminellen« von »gestern und heute« gerichtet, hinzu. Zur gleichen Stunde fand vor dem Pariser Justizpalast ein Sit-in statt. In der kleinen Menge, die gegen die Auslieferung von Battisti protestierte, fanden sich Mitglieder der französischen Sozialdemokraten und der KP, Autonome und Linksradikale wieder. Anwesend war auch der frühere italienische linke Militante Oreste Scalzone, der wie Cesare Battisti in den achtziger Jahren vor der Repression des italienischen Staates nach Frankreich geflüchtet war. Bei dem Protest am Mittwoch gab der Mitbegründer von Potere Operaio einer verzweifelten Entschlossenheit Ausdruck: Es gebe »eine Zeit für gewaltfreie und eine Zeit für andere Aktionsmittel«, meinte Scalzone, und jetzt sei »die Zeit für radikale gewaltfreie Methoden gekommen, bei denen man den eigenen Körper einsetzt«. Scalzone dachte möglicherweise an einen Hungerstreik.

Die Richter der Strafkammer setzten sich mit ihrer Entscheidung über das 13 Jahre alte, rechtskräftige Urteil hinweg, das zuvor die Auslieferung Battistis verboten hatte (Jungle World, 11/04). Es gebe einen neuen Sachverhalt, befanden sie: Das damalige Auslieferungsbegehren aus Rom habe auf Haftbefehlen beruht, das jetzige jedoch auf dem Urteil eines Mailänder Gerichts.

Battisti war in Italien zunächst 1981 nur wegen eines Organisationsdelikts, der Zugehörigkeit zu den »Bewaffneten Proletariern für den Kommunismus«, zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Seine über ein Jahrzehnt später erfolgte Verurteilung wegen angeblicher Teilnahme an oder Ausführung von vier Morden, unter anderem an einem der Folter bezichtigten Polizisten und einem Gefängnisdirektor, war nur aufgrund der Aussage von Kronzeugen möglich. Diese so genannten pentiti erhalten erhebliche Strafnachlässe. Deswegen belasteten Aussteiger, aber auch »gewöhnliche« – d. h. nicht politisch motivierte – Straftäter oft politische Aktivisten. In Prozessen nicht gegen Linke, wohl aber gegen neofaschistischen oder parastaatlichen Netzwerken angehörende Rechtsterroristen wurden solche Aussagen von pentiti denn auch als Beweisgrundlage verworfen. Zuletzt am 12. März dieses Jahres, als die mutmaßlichen rechtsterroristischen Urheber des Bombenanschlags auf die Piazza Fontana in Mailand 1969, der 16 Tote kostete, freigesprochen wurden.

Rechtsterroristen werden in Italien 67 Prozent der Gewalttaten während der »bleiernen Jahre« zur Last gelegt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie verurteilt werden, ist nach Untersuchungen der Krimiautorin Fred Vargas, die im Mai in Frankreich den Sammelband La vérité sur Cesare Battisti veröffentlichte, hundert Mal geringer als für ehemalige Linksradikale.