Feel the Feeling

Gronau hat jetzt ein Rockmuseum. Udo Lindenberg findet es super. von jörg sundermeier

Pop-Frankfurt hat es schwer. Viel ist von der einstigen Techno-Hauptstadt nicht mehr übrig. Der Club »Das Omen« ist geschlossen, Marc Spoon ist nicht viel mehr als ein Kinderunterhalter, das ambitionierte Label Force Inc. hat die Pleite des Vertriebs EFA nicht überlebt, das Techno-Magazin Groove zog nach Berlin und wurde jetzt nach München verkauft. Am vergangenen Wochenende eröffnete zwar einer der wenigen in Frankfurt verbliebenen Technostars, Sven Väth, seinen Cocoon Club, bezeichnenderweise in einem neuen Bürokomplex, der von seinen Erbauern »U.F.O.« genannt wurde. Doch der Club wird rasch ein letzter Versammlungsort für Partyleichen werden, die nach dem Ende der wilden Technojahre umso verzweifelter tanzen wollen und denen man das auch ansieht. Von so etwas wie einer Frankfurter Rockszene hingegen hat man eh schon sehr lange gar nichts mehr gehört.

Pop-Gronau dagegen hat es gut. Denn zum einen erwartet man nichts von Gronau. Viele wissen nicht, dass es ein Pop-Gronau, ja, nicht einmal dass es Gronau gibt. Obschon diese Stadt einen berühmten Sohn hat: Udo Lindenberg. Der pflegt, wie könnte es bei berühmten Stadtsöhnen auch anders sein, ein gutes Verhältnis zur heimatlichen Scholle und hat deswegen auch seine Unterstützung nicht versagt, als jemand auf die Idee kam, ein Museum für die »Kulturgeschichte der Populärmusik im 20. Jahrhundert« zu eröffnen, das Rock’n’Popmuseum. Am letzten Wochenende, nach dem Redaktionsschluss dieser Zeitung, war Eröffnung. Der »Initiator« Lindenberg meint, dass das, was mit Unmengen von Fördergeldern realisiert wurde, ein ungemeines Wagnis, ja, wenn nicht gar ein Wahnsinn war: »In Hamburg haben wir nachts das erste Mal über dieses Ding gesprochen, und nicht wenige Leute haben uns für ›beknackt‹ gehalten. Aber mal ehrlich: Ich hab’s nicht für möglich gehalten, dass die Jungs in Gronau so dran ziehen. Ein Museum zur Geschichte der Popmusik in Gronau; und das in meiner Heimatstadt! Bitteschön!«

So »beknackt« ist es dann wohl nicht, zumindest für den Stadtsohn hat es sich gelohnt. Denn der Platz um den Bau aus der Gründerzeit, der innen wie außen für die neue Aufgabe ideenarm »aufgepeppt« wurde, heißt, so will es der Rat der Stadt, seit dem gestrigen Dienstag offiziell Udo-Lindenberg-Platz. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, Peer Steinbrück, hatte seine Anwesenheit bei der Einweihung des Museums zugesagt, und auch der Altrocker, der noch nie bei irgendetwas einen Anhauch von Scham verspürte, eilte herbei, um mit seinem »Panikorchester« die alten Gassenhauer feilzubieten. Das weitere Eröffnungsprogramm bestreiten am kommenden Wochenende eine Queen-Coverband, eine Abba- und eine Robbie-Williams-Coverband und abschließend Doro Pesch, die auch in ihrem 40. Lebensjahr nicht müde wird, den Metal für Mutti und Vati hübsch zu machen.

Doch damit ist es nicht getan. Nicht umsonst sind für die 1 600 Quadratmeter Ausstellungsfläche annähernd 20 Kilometer Kabel, 200 Lautsprecher und 60 MP3-Player verbaut worden. Denn der Pop und der Rock und der Jazz, die »Black Music«, der Swing, die Operette und was sonst immer in ein Rock’n’Popmuseum hineingehört, wollen laut und groß präsentiert werden.

Das Rock’n’Popmuseum also ist knallbunt, der Besucher kann an vielem rumfummeln, insgesamt entspricht es dem Erlebnismuseum, das die Museumspädagogik seit Jahren fordert, da sie meint, dass man nicht verstehen kann, was man nicht auch anfassen oder sonstwie »erleben« kann.

Dazu gibt es viel Spektakel. Etwa einen »Zeittunnel«, der, so sagen die Ausstellungsmacher, »direkt in das Gedächtnis legendärer Konzerte führt«. Des weiteren hat es einen »Kultbereich«, in welchem »echte Erinnerungsstücke von Topstars« präsentiert werden. Aber nicht nur das: »Neben der Bühne erscheinen im Wechsel mit dem Zeitraffer – in aufsteigenden Nebel projiziert – die überragenden Geister des Popolymps mit ihren Sounds, die die PA des Museums in Live-Qualität liefert.« Dass dort, wie die Presseabteilung verspricht, »Bilder von Rock- und Popstars, die einen ›Rock’n’Roll-Tod‹ gestorben sind«, erscheinen, versteht sich von selbst. Dass allerdings weder Tupac Shakur, der 1996 erschossen wurde, noch der BeBopper Charlie Parker, der 1955 den Drogen erlag, »Rockgeister« waren, ist egal.

Das Rock’n’Popmuseum verlässt sich, da es keinen Begriff von Pop hat, ganz auf Gefühle. Der dem Museum dienende wissenschaftliche Beirat, in dem sich Leute wie Dieter Gorny oder der Journalist Hollow Skai aufhalten, soll da nicht abhelfen. Bei dem Projekt handelt es sich zudem um »ein Investment des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Gronau, des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, des Kreises Borken und der Bundesagentur für Arbeit«. Fast verwundert es da, dass populäre Musik im Dritten Reich ein Thema ist: Das Verbot des Swing wird in der Ausstellung verhandelt.

Rock und Pop soll in Gronau dennoch weniger diskutiert als vielmehr gespürt werden. Man spürt ihn, indem man die ehemalige Turbinenhalle nun »Energieströme ganz eigener Art« produzieren lässt. Daher geht es bei dem Exponat »Elvis Presleys Uniformjacke« natürlich nicht darum, den Hüftenschwinger als Angepassten zu zeigen, dessen Armeedienst in Deutschland den Blues, den Soul und den Rock eines Little Richard – mit dem Elvis, ein Weißer, Millionen machte – unwiderruflich mit dem Nationalen verknüpfte. Nein, es geht um Deutschland. »Der Rock’n’Roll ist nun (1958, J.S.) endgültig in Deutschland angekommen, und das gleich in Person der Lichtgestalt der jungen, wilden Bewegung, dem King selber, Elvis Presley. Selbst in seiner Uniform sah dieser junge GI immer noch aus wie frisch von der Bühne gestiegen, charismatisch und äußerst attraktiv.«

Daneben finden sich eine Bühnendekoration der Scorpions, das Can-Tonstudio, ein Auto der Fantastischen Vier, eine Locke von Ted Herold, aber auch eine von Bob Dylan signierte Mundharmonika. Der Hamburger Star Club, von dem eine »Original-Stuckverzierung von der Fassade« ausgestellt ist, steht für die Beatles und die Stones. Wofür auch immer das Geld ausgegeben wurde, an Internationalität hat man es mangeln lassen.

Dafür aber hat man ja die Energie, die Aura, das Gefühl: »So können sich Besucher im Bereich Trance zum Beispiel unter einer ›Lautsprecherhaube‹ mit Hilfe einer eigens geschriebenen Klangkomposition in einen Trance-artigen Zustand versetzen lassen. Im Bereich Rhythmus können interaktiv verschiedene Rhythmen ausprobiert werden, beim Thema Gemeinschaft werden die Exponate erst lebendig, wenn mehrere Besucher zusammen agieren.«

Was auch immer sich eine Poplinke je zusammengeschrieben hat, um sich das Widerständige im Pop herbeizubeschwören, hier wird alles ein Brei, in dem Gemeinschaft entsteht, für uns, für Gronau, für die Bundesagentur für Arbeit. Bitteschön!