Olympia’s Coming Home

In Athen begann alles. Zu Ehren von Zeus oder Hera? Und welche Rolle spielt die deutsche Archäologie in Griechenland? Zwei Buchtipps von lukas wieselberg

Während die Athleten erst am 13. August in Athen an den Start gehen, ist der Wettbewerb um das beste olympische Buch bereits seit geraumer Zeit eröffnet. Eine ganze Reihe von Publikationen sind im »Olympia’s coming home«-Jahr 2004 erschienen, darunter jene der Althistorikerin Rosmarie Günther und des FAZ-Redakteurs Michael Siebler.

Beide Bücher liefern eine ordentliche Einführung in die Geschichte, den Ablauf und die Topographie dieses berühmtesten aller Wettkämpfe. Als schmales Bändchen ist Günthers »Olympia. Kult und Spiele in der Antike« auch als Reiseführer zu empfehlen. Günter folgt in weiten Teilen den Beschreibungen des Pausanias, der gerne als »Baedeker der Antike« bezeichnet wird. Auch wenn die Experten mittlerweile geteilter Meinung sind, ob der Geschichtsschreiber aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert überhaupt alle Stätten bereist hat, die er in seinen zehn Bänden beschrieben hat, beruht doch ein Großteil unseres Wissens über die Olympischen Spiele zur damaligen Zeit auf seinen Zeilen.

Günther jedenfalls folgt seinen Spuren durch das sakrale Zentrum Olympias, die so genannte Altis, und beschreibt dabei Kult und Kultstätten. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen bereichert sie die Frage nach den Ursprüngen des kultischen Festes aber um eine weibliche Variante. Während Siebler die klassischen Ursprungsmythen um Pelops und Herakles übernimmt, die dann zur Verehrung des Göttervaters Zeus in Form der Spiele geführt haben sollen, setzt Günther auf eine andere Entstehungsgeschichte.

Ihr zufolge ist der Hera-Tempel der älteste Tempel in Olympia und Hera die »Herrin der Altis«. Dafür sprechen die so genannten Heraien, in der üblichen Literatur meist vernachlässigte Wettkämpfe für Jungfrauen, die zwischen zwei Olympiaden zu Ehren der Hera abgehalten wurden. Dabei handelte es sich um einen Lauf über eine Distanz von rund 160 Metern unter dem Schutz der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, der ursprünglich einen Hochzeitslauf symbolisierte. Noch ehe die Olympischen Spiele in ihre klassische Phase eintraten, rückte dieser »Ursprung« (Günther) in den Hinter- und der Zeuskult in den Vordergrund. Günther moniert nicht nur die »männlich orientierte Sichtweise« ihrer Historiker- und Archäologie-Kollegen, sondern kann sich auch einen Verweis auf die Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit nicht verkneifen. Bereits Pierre de Coubertin hielt die Zulassung von Frauen zu einem Fest, das »er als zeremonielle Feier männlichen Athletentums beschreibt«, für eine »negative Entwicklung«.

Michael Siebler unterstreicht in seinem Buch »Olympia. Ort der Spiele, Ort der Götter« die wissenschaftshistorische Bedeutung der archäologischen Anstrengungen. »Keine andere deutsche Ausgrabung im Ausland war so eng mit der deutschen Geschichte und dem deutschen Nationalbewusstsein verbunden« wie jene in Olympia. Seit 1875 wird sie vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) auf Grund eines Staatsvertrages zwischen Deutschland und Griechenland vorgenommen. Die Gründe dafür liegen dem FAZ-Redakteur und ehemaligen DAI-Mitarbeiter zufolge unter anderem in der oft proklamierten Verwandtschaft zwischen den Deutschen und den Griechen der Antike – ausgedrückt etwa durch die politische »Seelenverwandtschaft« der zerstrittenen griechischen Polis und den deutschen Staaten mit wiederkehrendem Einigkeitsstreben. Und auch die wissenschaftsjournalistische Leistung ist Siebler eine Ausführung wert: Nie zuvor seien Forschungsergebnisse der Archäologie schneller publiziert worden als im Falle der Ausgrabungen von Olympia.

Rosmarie Günther: Olympia. Kult und Spiele in der Antike, Primus Verlag, Darmstadt 2004, 176 S. Michael Siebler: Olympia. Ort der Spiele, Ort der Götter, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2004, 268 S.