Roter Teppich für die Paras

Offiziell lehnt die Regierung Kolumbiens eine Straffreiheit für die Paramilitärs ab. Doch deren Vertreter dürfen sogar vor dem Parlament sprechen. von knut henkel

Kein Vergeben, kein Vergessen«, riefen die Demonstranten vor dem Sitz des kolumbianischen Parlaments am Mittwoch der vergangenen Woche. Der Kongress hatte seine Türen geöffnet für drei Männer, die in Kolumbien für Mord, Terror und Drogenhandel stehen: Salvatore Mancuso, Ramón Isaza und Ernesto Báez. Die drei Führer der Vereinten Selbstverteidiger Kolumbiens (AUC), des wichtigsten Dachverbands der rechtsextremen Paramilitärs, kamen, um ihre Statements und Forderungen vor dem Parlament vorzutragen, und waren schnell wieder verschwunden. Sicherheitsbedenken hätten dafür angeblich den Ausschlag gegeben.

Der Abgeordnete Gustavo Petro vom oppositionellen Patriotischen Pol bezeichnete den Auftritt als ein nationales Fiasko. »Wir waren Zeugen der Unterwerfung der staatlichen Institutionen«, sagte er der Tageszeitung El Tiempo. Kritische Stimmen gab es jedoch nicht nur aus der Opposition. Für einen Parteigänger des Präsidenten, Senator Rafael Pardo, ist »alles schlecht ausgegangen«. Es habe keine Debatte gegeben, stattdessen habe man gesagt bekommen, wie man Gesetze erlassen solle, kritisierte er.

Vor allem Forderungen durften sich die Parlamentarier von den führenden Paramilitärs, die in Schlips und Anzug erschienen waren, anhören. Weitere Zonas de ubicación (etwa: Aufenthaltsgebiete) hat der AUC-Chef Salvatore Mancuso ebenso gefordert wie die Einrichtung einer hochrangigen Kommission aus Kirchenvertretern, Abgeordneten und Richtern. Deren Aufgabe soll es sein, die Demobilisierung der paramilitärischen Verbände zu überwachen und für Transparenz in den Friedensgesprächen zwischen Regierung und AUC zu sorgen.

Mit dem Auftritt vor dem Parlament, das über die Visite nicht einmal abgestimmt hatte, sind die Paramilitärs politisch aufgewertet worden. War das eine Belohnung für die Vereinbarung, die als »Abkommen von Santa Fé de Ralito« bezeichnet wird und Mitte Juli unterzeichnet wurde? Dieses Abkommen, das zum Frieden in Kolumbien beitragen soll, enthält den Plan für weitere Treffen zwischen Paras und dem Friedensbeauftragten der Regierung, Luis Carlos Restrepo, die den Prozess der Demobilisierung und Entwaffnung der angeblich 13 000 Paramilitärs bis Ende 2005 aushandeln sollen.

Die Demobilisierung soll, so eine gemeinsame Erklärung der AUC und der Regierung, noch in diesem Jahr beginnen und bis zum 31. Dezember 2005 abgeschlossen werden. Die Regierung ist dem Abkommen zufolge dafür verantwortlich, »die notwendigen Maßnahmen durchzuführen, um sie (die Paras) in das zivile Leben zu reintegrieren«. Über Vereinbarungen, die den Umgang mit den zahllosen Verbrechen betreffen, wurde nichts bekannt.

Allerdings sind die rechtlichen Rahmenbedingungen vollkommen unklar. Die erste Fassung eines Gesetzes über strafrechtliche Alternativen ist durchgefallen; sie entsprach nicht dem internationalen Recht. Die weitgehende Straffreiheit, welche die Verantwortlichen der Regierung von Álvaro Uribe vorgesehen hatten, sei angesichts der verübten Verbrechen völlig unangemessen, meint Bernardo Pérez Salazar, Konfliktforscher an der Universidad Externado von Bogotá.

Die Richtung scheint klar, auch wenn Präsident Uribe wiederholt betont hat, dass Straflosigkeit bei schweren Verbrechen ausgeschlossen sei. Allein gegen Salvatore Mancuso liegen jedoch mindestens acht Haftbefehle wegen Mordes und Beteiligung an Massakern vor. Zudem haben die USA die Auslieferung des dort im Jahr 2003 zu 40 Jahren Haft Verurteilten beantragt.

Dass ein solcher Mann im kolumbianischen Kongress sprechen darf und die Verhandlungen der AUC mit der Regierung Uribe führt, ist für viele Menschenrechtsvertreter ein Schlag ins Gesicht. Human Rights Watch hat die kolumbianische Regierung wiederholt aufgefordert, Sorge zu tragen, dass Gesetzesvorhaben im Rahmen des Friedensprozesses die Ahndung von Menschenrechtsverletzungen garantieren.

Doch die Verhandlungen in Santa Fé de Ralito laufen alles andere als transparent ab. Zudem sind zahlreiche von der AUC ernannte Verhandlungsführer bekannte Drogenhändler. Mindestens fünf stehen auf den Fahndungslisten der USA, und für deren Botschafter in Bogotá, William B. Wood, hat die AUC in den letzten Monaten, nach dem Verschwinden des ehemaligen AUC-Führers Carlos Castaño, ihr wahres Gesicht gezeigt. »Es sind Diebe und Mörder, Narcoterroristen und keine Patrioten«, sagte Wood in einem Interview mit der Wochenzeitung Semana. Mancusos Auftritt vor dem Parlament bezeichnete Wood bei anderer Gelegenheit als »skandalös«.

Die USA haben die AUC scheinbar fallen gelassen, obwohl zumindest die US-amerikanische Drogenbehörde DEA beste Kontakte zu Castaño hatte. Dieser hatte eigenen Aussagen zufolge im Auftrag der DEA mit kolumbianischen Drogenhändlern ausgehandelt, sich freiwillig der US-Justiz zu stellen. Doch er ist unter dubiosen Umständen verschwunden. Einige Gerüchte besagen, dass er in Israel untergetaucht sein soll, andere, dass er tot ist, wieder andere, dass er mit den USA über die Konditionen seiner Auslieferung verhandele, denn auch gegen ihn liegt ein Überstellungsgesuch vor.

Wie die Regierung mit den Gesuchen der USA nach Auslieferung von Führungsmitgliedern der AUC umzugehen gedenkt, ist offen. Dem Konfliktforscher Pérez zufolge verlangen die Paramilitärs eine Nichtauslieferungsgarantie. Uribe hat jedoch bis Ende Mai 2004 die Auslieferung von 147 Personen angeordnet. »Wer den Frieden will, soll sich zunächst dem Gesetz unterwerfen«, forderte der Präsident im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung.

Ob das wirklich für Mancuso und Co. gelten wird, ist allerdings zu bezweifeln. Die systematische Verletzung des Waffenstillstandes hat der Präsident schließlich ebenfalls nicht geahndet. Mehrere hundert Morde soll die AUC seit der Ausrufung des Waffenstillstandes im Dezember 2002 verübt haben, ohne dass die Regierung darauf reagierte, stellte Senator Antonio Navarro im Januar fest.

Seine zurückhaltender Umgang mit der AUC hat dem Präsidenten schon den Vergleich mit seinem Amtsvorgänger eingebracht. Der hatte die Friedensverhandlungen mit der Guerillaorganisation Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (Farc) Kritikern zufolge zu lasch geführt und sich auf der Nase herumtanzen lassen. Die Farc hat sich mittlerweile auch zu Wort gemeldet. Sie bot am 26. Juli Friedensgespräche mit der Regierung an. Vermitteln solle die Kirche, so Farc-Sprecher Raúl Reyes; eine Parallele zu den laufenden Verhandlungen mit der AUC. Nur verlangt die Farc vorab die Demilitarisierung von gleich zwei Departamentos, von Caquetá und Putomayo. Für Uribe ist das eine unannehmbare Forderung, denn die Demilitarisierung ganzer Landesteile lehnt der »Präsident der harten Hand« kategorisch ab.