Sanktionen mit Reflex

In Neuseeland fand ein Prozess gegen angebliche Mossad-Agenten statt. Antisemitische Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. von martin kröger

Feindseliger Akt. Verletzung der Souveränität Neuseelands und des internationalen Rechts.« Die offiziellen Verlautbarungen der neuseeländischen Labour-Regierung überschlugen sich. »Neuseeland verurteilt die Aktionen von Behörden der israelischen Regierung voll und ganz«, sagte Ministerpräsidentin Helen Clark. Im selben Atemzug forderte sie eine offizielle Entschuldigung von Israel.

Gegenstand der schweren diplomatischen Krise zwischen den beiden Staaten ist ein Prozess gegen zwei mutmaßliche Agenten des israelischen Nachrichtendienstes Mossad, der am 15. Juli in Wellington stattfand. Das Verfahren endete mit der Verurteilung der beiden israelischen Staatsbürger Elisha Cara, 50, und Uriel Kelman, 31. Beide wurden schuldig gesprochen, illegal versucht zu haben, neuseeländische Pässe zu erlangen, und einer »kriminellen Organisation« anzugehören. Die Angeklagten gestanden zwar die Passfälschung, stritten eine Mitgliedschaft beim Mossad jedoch ab. Kelman und Cara müssen für ein halbes Jahr ins Gefängnis. Neben den Verurteilten bezichtigt die Regierung inzwischen zwei weitere Männer, darunter einen Neuseeländer, der Mossad-Zelle angehört zu haben.

Die neuseeländische Regierung vermutet, dass mit den Pässen geheimdienstliche Operationen durchgeführt werden sollten. 1997 waren zwei Agenten des israelischen Auslandsnachrichtendienstes mit kanadischen Dokumenten bei einem Mordanschlag auf einen politischen Leiter der Hamas, Khaled Mechaal, in Jordanien aufgeflogen.

Neuseelands Regierung reagierte jedoch nicht nur rhetorisch. Kurz nach Abschluss der Verhandlungen verkündete die Ministerpräsidentin die Aussetzung der diplomatischen Beziehungen sowie Sanktionen. Der für August geplante Besuch des israelischen Staatspräsidenten Moshe Katzav in Neuseeland wurde ebenso abgesagt wie der Empfang des neuen israelischen Botschafters. Für alle offiziellen Repräsentanten des Staates Israel gilt ab sofort wieder die Visumspflicht bei der Einreise.

Sehr zurückhaltend reagierte die israelische Regierung auf die Vorwürfe. Außenminister Silvan Shalom erklärte sein »Bedauern« und kündigte an, »dass alles getan werde, um die lange Geschichte der guten Beziehungen zu Neuseeland wiederherzustellen«. Am vorletzten Wochenende wurde bekannt, dass Israel bereits seit März um eine Klärung des Falles bemüht war, allerdings auf geheimdienstlicher Ebene. Nach Angaben des Sicherheitsexperten Ze’ev Schiff in Ha’aretz bestand Ministerpräsidentin Clark jedoch darauf, beide Beschuldigte wegen relativ schwerer Delikte vor Gericht zu stellen. Schiff kritisierte neben den überzogenen Reaktionen Clarks ebenso, dass eine Person aus der lokalen jüdischen Gemeinde in geheimdienstliche Aktionen einbezogen worden sei.

Den Verbalattacken der Ministerpräsidentin ließen andere Taten folgen. Am Tag nach der Urteilsverkündung wurde der jüdische Friedhof in Wellington geschändet. Alle 16 Grabsteine wurden zerstört und mit Hakenkreuzen beschmiert. Glückwünsche für ihre Haltung bekam die neuseeländische Regierung von der islamistischen Terrororganisation Hamas, die auf ihrer Homepage das Verhalten der Regierung »würdigte« und »die kühne Position« lobte, die als Vorbild für alle anderen Regierungen im Umgang mit Israel dienen solle. David Irving, verurteilter Holocaustleugner, ließ den New Zealand Herald wissen, er freue sich schon auf seinen nächsten Neuseelandtrip im September. Somit ist das eingetreten, was David Zwartz, Vorsitzender des jüdischen Rates für Neuseeland, bereits zu Beginn der wortgewaltigen Kritik der neuseeländischen Premierministerin befürchtete: »An einem Tag geht es darum, auf Israel einzuschlagen, und am nächsten Tag auf Juden.«