Der Feind im Land

Im Südirak sind erneut Kämpfe mit der Sadr-Miliz ausgebrochen. Viele Iraker machen den Iran dafür verantwortlich. von thomas von der osten-sacken

Meldungen verschiedener Pressagenturen, nach der Machtübernahme durch die neue irakische Regierung habe sich die Sicherheitslage im Irak merklich verbessert, erwiesen sich als verfrüht. Denn offenbar haben im Irak die erwarteten Herbstoffensiven sowohl der Koalitionstruppen als auch ihrer Feinde begonnen. Mit koordinierten landesweiten Anschlägen auf Kirchen haben radikale Islamisten der christlichen Minderheit im Irak den Krieg erklärt, während verheerende Selbstmordanschläge auf Polizeistationen Hunderte das Leben kosteten.

Im Süden des Landes brach zudem ein im Mai ausgehandelter Waffenstillstand zwischen den so genannten Mahdi-Milizen des khomeinistischen Geistlichen Muqtada al-Sadr und den Koalitionstruppen und der irakischen Regierung zusammen. In Najaf, Kufa und anderen Städten kam es zu heftigen Kämpfen, bei denen nach Angaben von US-Militärs bislang hunderte von al-Sadrs Milizionären umgekommen sein sollen. Bislang scheint der Aufstand allerdings erfolglos zu verlaufen. Insgesamt 1 200 Kämpfer hätten sich ergeben, erklärte der Gouverneur von Najaf, Adnan al-Sorfi, während Koalitionstruppen und irakische Einheiten strategische Stellungen in Najaf zurückeroberten.

Al-Sadr rief zu den Waffen, nur wenige Tage nachdem Ayatollah Ali al-Sistani, die oberste schiitische Autorität im Irak, nach Großbritannien ausgeflogen wurde, wie es hieß, zur Behandlung eines Herzleidens. Im Irak wird seitdem heftig diskutiert, ob Sistani mit diesem Schritt den USA grünes Licht gegeben habe, die vom Iran unterstützte Sadr-Bewegung endgültig zu zerschlagen, oder ob der angeschlagene Sadr nun die Gunst der Stunde zu nutzen versuche, um seine politische Position zu stärken.

Al-Sadr gilt im Irak bei vielen als direkter Befehlsempfänger Teherans, die neuen Zusammenstöße könnten deshalb im Zusammenhang mit den sich verschlechternden Beziehungen zwischen Irak und Iran stehen. Im Mai noch hatten die im Iran regierenden Kleriker gehofft, die USA seien angesichts des Widerstandes im sunnitischen Zentralirak gezwungen, ihr Bündnis mit den irakischen Schiiten so weit ausbauen, dass die neue Übergangsregierung unter direktem iranischem Einfluss stehen würde. Mit Premierminister Iyad Allawi übernahm allerdings ein säkularer Schiit die Regierunsgeschäfte in Bagdad, und spätestens als der irakische Verteidigungsminister Hasim al-Shaalan den Iran als eine »feindliche Nation« bezeichnete, die gemeinsam mit Syrien den Terrorismus im Irak unterstütze, dürfte in Teheran klar geworden sein, dass im Nachbarland keineswegs eine der Islamischen Republik besonders wohl gesonnene Regierung die Macht übernommen hat.

Im Gegenteil: Seit Anfang August findet an der syrischen Grenze eine amerikanisch-irakische Großoffensive statt. Dem mit dem Iran verbündeten Ba’ath-Regime in Damaskus wird vorgeworfen, den »irakischen Widerstand« mit Kämpfern, Geld und Waffen zu unterstützen. Zugleich hat die Regierung in Bagdad strenge Visaregelungen ausgegeben und ihre Grenzkontrollen verstärkt.

Während Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien in den vergangenen Wochen den USA ein verstärktes Interesse an einer Befriedung des Irak signalisiert haben, fürchten die Regimes in Iran und Syrien mehr denn je, dass ein mit den USA alliierter und stabilisierter Irak ihren Machterhalt gefährden könnte. Die offenen Drohungen der irakischen Regierung gegen die Nachbarländer wurden zweifelsohne nach Absprache mit Washington geäußert.

Ohne zumindest eine Duldung seitens des einflussreichen schiitischen Klerus im Irak aber könnte keine Regierung in Bagdad sich so offen mit dem Iran anlegen. Sollte al-Sadr in den kommenden Wochen endgültig besiegt werden, wäre dies ein schwerer Rückschlag für den Iran, während ihm im Irak die wenigsten eine Träne nachweinen dürften.