Weil es schmeckt

Jim Jarmusch erzählt in »Coffee and Cigarettes« vom Zigarettenrauchen und Kaffeetrinken. von thomas blum

Hey, cigarettes and coffee, man. That’s a combination.You can’t beat it.« Spätestens seit man das selige Lächeln auf Peter Falks Antlitz in Wim Wenders’ Film »Der Himmel über Berlin« gesehen hat, weiß man, dass mindestens zwei Dinge im Diesseits existieren, für welche es lohnt, auf das ewige Leben zu verzichten: Kaffee und Zigaretten, am besten kombiniert. Um der leiblichen Genüsse willen, die den Sterblichen vorbehalten und dem Engel (Peter Falk) im Himmel versagt sind, hat er auf die Unsterblichkeit gepfiffen und sich in einen Menschen zurückverwandeln lassen. Hernach steht er des Nachts mit einer Kippe im Mund und einem Pappbecher dampfenden Kaffees in der Hand im Neonlicht einer Imbissbude und ist so glücklich, wie er es als Engel niemals war. Das ist natürlich greller Kitsch, es ist ja auch von Wim Wenders und Peter Handke, da bleibt dergleichen nicht aus. Und wer den Film in voller Länge überstanden hat, braucht hinterher kein Valium mehr. Doch was über das geheimnisvolle Zusammenwirken von Kaffee und Tabak gesagt wird, das stimmt.

Jim Jarmusch hat nun einen Film zum Thema gemacht, der aus elf im Laufe der letzten 17 Jahre entstandenen Kurzfilmen besteht, in welchem es jedoch nicht nur darum geht. Und je länger man die freundlichen Müßiggänger in den Schwarzweißkurzfilmen betrachtet, desto mehr schlägt man sich den Gedanken, mit dem Rauchen oder dem übermäßigen Kaffeekonsum aufzuhören, aus dem Kopf. Überdies erfährt man im Film die Wahrheit über Elvis und seinen Zwillingsbruder, doch das ist eine andere Geschichte.

»You drink a lot of coffee?« wird eingangs der völlig desolat wirkende Roberto Benigni, der sich hypernervös und mit zitternden Händen an seiner Tasse festklammert, von seinem Gegenüber gefragt, worauf er, laut und vor eingebildeter Energie schier berstend, antwortet: »Coffee’s good for head!«

Die Menschen treffen sich, führen sinnvolle Gespräche (»Do you smoke?« »Only when I drink coffee«), erklären das Faszinierende an Kaffee (»I drink a lot of coffee before I go to sleep so I can dream fast«), geben sich die üblichen Ratschläge (»It’s not a very healthy lunch, just coffee and cigarettes«), sagen aber auch andere schöne Sätze (»Palm trees annoy the fuck out of me«), und dann verabschieden sie sich wieder.

Das Beste aber ist: Sie haben Zeit zur Muße und sonst nichts zu tun, und das ist schön.

Jim Jarmuschs Kurzfilm-Anthologie ist eine Hommage an einige der schönsten Tätigkeiten, die es gibt: Im Café sitzen, Kaffee trinken, rauchen. Eineinhalb Stunden sehen wir ganz unterschiedlichen Menschen dabei zu, wie sie genau das tun und kaum anderes, während im Hintergrund die Jukebox leise dudelt, und dabei wird klar, dass selbst bei Schweigen, Disput oder scheiternder Kommunikation (»Are you sure that there is nothing you wanna talk about?«) die Rituale des Trinkens und Rauchens, das gegenseitige Zigarettenanzünden, das Einschenken von Kaffee, das gemeinsame Erheben der Tassen, das Anstoßen usw. eine Art der heimlichen Verständigung sind, Gesten der Freundschaft, die eine eigene verborgene Ordnung begründen oder simulieren.

Und immer wieder, wie um uns nicht vergessen zu lassen, wer die eigentlichen Hauptdarsteller des Films sind, um die es fortwährend geht und die unterderhand jede Szene strukturieren, blickt die Kamera von oben auf die stets schachbrettgemusterte Oberfläche des Tisches wie auf einen Altar, auf dem in stets neu variierter Weise Kaffee und Zigaretten zu erblicken sind. Und nicht etwa Kelch und Hostie.

In Form und Gestaltung der Bilder und im Dekor und der Ausstattung der Szenen findet sich die erwähnte Ordnung bis ins Detail wieder: Menschen mit schwarzer und weißer Hautfarbe, blonde Frau und schwarzhaarige Frau, Kaffee und Milch, Zucker und Asche, Untertasse und Aschenbecher, die Tischplatten in Schachbrettmuster, weiße Tassen, schwarze Tische, Licht und Dunkelheit, Schweigen und Sprechen, Mimik und Gesten, alles passt hier wunderbar zusammen und ist mit dem Blick dessen angeordnet worden, der von einem Muster besessen ist.

Wäre der Film in Farbe gedreht, er wäre halb so schön.

»Coffee and Cigarettes« ist ein karger und trotz seiner vermeintlichen Einfachheit streng durchstilisierter Film, und er ist, darin den Werken von Jarmuschs Kollege< Aki Kaurismäki verwandt, von einer stillen, charmanten, bisweilen traurigen Komik.

Im letzten Kurzfilm sehen wir zwei alte, müde Männer, die in einer Art Lagerhaus arbeiten und bei einem Becher Kaffee in einer düsteren Ecke ihre Arbeitspause absitzen. »I feel so divorced from the world, I think I lost touch with the world«, sagt der eine kraftlos und spricht von dem Lied »Ich bin der Welt abhanden gekommen« von Gustav Mahler.

»Let’s pretend this coffee is champagne«, sagt er. »Why should we do that?« »To celebrate life.« Der Kaffee schmeckt grauenhaft, und gleich müssen sie wieder an ihre Arbeit, aber zuvor bringen sie noch einen Toast aus. Auf das Paris der zwanziger und das New York der späten siebziger Jahre, auf das süße Leben. Bevor ihnen dämmert, dass es sich nur um eine Kaffeepause handelt. »Oh, how depressing. Say it isn’t true.« Der eine von beiden schläft ein, dazu ertönt leise Gustav Mahler. Sie sind der Welt abhanden gekommen.

Es empfiehlt sich, eine kleine Thermoskanne Kaffee ins Kino mitzunehmen, und wenn Sie gewitzt sind und mit etwas Glück in eine Nachmittagsvorstellung des Films geraten, in der Sie der einzige Zuschauer sind, dann zögern Sie nicht. Zünden Sie sich ruhig eine an. Es dürfte Ihnen ohnehin recht schwer fallen, gleichermaßen konzentriert und entspannt sitzen zu bleiben, während Sie die unentwegt nonchalant vor sich hin qualmenden und Kaffee schlürfenden Plapperer auf der Leinwand betrachten müssen.

Falls Sie jedoch zu den bemitleidenswerten Menschen gehören sollten, die das Rauchen aufgegeben haben, dann machen Sie es doch einfach wie Tom (Tom Waits) und Iggy (Iggy Pop), die einigermaßen stolz sind, ihre Tabaksucht hinter sich gelassen zu haben, und in ihrer Szene hämisch über die willensschwachen armen Teufel herziehen, die nicht von ihrer Sucht lassen können. Tom eröffnet nach einem verstohlenen Blick auf eine vergessene und auf dem Tisch liegen gebliebene Schachtel Zigaretten folgenden Dialog:

»The beauty of quitting is … that … now, that I’ve quit, you know, I can have one …‚ ’cause I’ve quit.«

Ein interessierter und ungläubiger Blick Iggys folgt. Tom nimmt sich eine Zigarette und weist mit einer einladenden Geste auf die Schachtel.

»You wanna join me with one?«

Iggy zögert kurz, greift dann aber rasch zu. »Well, … yeah, … since I quit … yeah! okay, … okay. Sure, I can do that. Allright …«

Beide zünden sich eine Zigarette an, lehnen sich züruck, inhalieren tief und lachen danach befreit auf.

»Ey, … Aaah, Boy … Thank you! (lacht) You know, what I mean? (lacht) … Now, that we’ve quit …«

Beide freuen sich.

»Hey, cigarettes and coffee, man. That’s a combination.«

»You can’t beat it.«

Und wenn Ihnen in dem Film dann doch zu viel gesprochen werden sollte, schauen Sie sich hinterher einfach »Tatjana« von Aki Kaurismäki an, einen nicht minder schönen Schwarzweißfilm, in dem auch vor allem Kaffee getrunken und geraucht, aber aufs Sprechen so gut wie ganz verzichtet wird.

»Coffee and Cigarettes« (USA 2003). R: Jim Jarmusch, D: Roberto Benigni, Iggy Pop, Tom Waits, Steve Buscemi, Bill Murray, Cate Blanchett, Alfred Molina, Jack White, Meg White, RZA, GZA