Mit wehenden Nationalfahnen

Rassistische Ausschreitungen von harry ladis, thessaloniki

Bei den vergangenen olympischen Spielen haben sich nicht nur griechische Spitzensportler gedopt. Sie waren Teil einer patriotisch voll angeturnten griechischen Nation. Wegen dem dritten Platz beim Eurovision-Wettbewerb im Frühjahr, dem Sieg bei der Fußball-EM und dem kleinen Haufen Medaillen bei den olympischen Spielen schien sich ganz Griechenland in einem Siegesrausch zu befinden. Das so genannte Volk, diese absurde und heterogene Masse, fand endlich ein passendes Label für sich, und zwar in hellblauweißen Farben.

Das Siegergefühl entschädigt für die Alltagsmisere, für die graue Wirklichkeit und dafür, in einem der teuersten Länder Europas mit unglaublich niedrigen Löhnen zu leben. Doch dann verloren die Europameister Anfang September ein Qualifikationsspiel gegen Albanien. In über zehn Städten lauerten daraufhin empörte griechische Faschisten und Normalbürger Albanern auf, die, ihre Nationalfahnen schwenkend, durch die Straßen zogen. Die Bilanz der nationalistischen Raserei: ein erstochener Albaner auf der Insel Zakynthos und mehrere Dutzend Verletzte, darunter auch einige Griechen. Die Polizisten sahen dem Treiben die meiste Zeit gelassen zu, nicht wenige applaudierten, genauso wie zahlreiche Schaulustige auf den Straßen. Am Ende wurden acht Personen verhaftet, fast ausschließlich Albaner.

Es präsentierte sich an diesem Abend eine Gesellschaft voller Griechenland-Hools, die ihren antialbanischen Ressentiments Ausdruck verleihen konnten. Albaner sind als zahlenmäßig stärkste ausländische Minderheit seit 14 Jahren ungebremster Ausbeutung ausgesetzt. Für das Wirtschaftswunder des griechischen Kapitalismus in den vergangenen Jahren war ihre billige Arbeitskraft ausschlaggebend, das gesamte Olympiade-Geschäft profitierte von ihnen, was etliche Albaner mit ihrem Leben bezahlten. Allein auf olympischen Baustellen verunglückten etwa 20 Arbeiter tödlich, die meisten waren albanischer Herkunft (Jungle World 19/2004).

Nationalistisches Gebaren auf Seiten der albanischen Fußballfans spielte bei der Randale natürlich auch eine Rolle, was der rechte Präfekt von Thessaloniki, Panagiotis Psomiadis, dazu nutzte, nach den Ausschreitungen gegen die albanische Minderheit zu hetzen: »Die Griechen sehen sich zum wiederholten Mal von den albanischen Emigranten beschimpft und erniedrigt, anstatt ein Dankeschön zu hören für alles, was ihnen ihre neue Heimat anbietet. Zumindest muss sich die albanische Regierung entschuldigen.« Außerdem sollten seiner Meinung nach die Befürworter der offenen Grenzen zur Rede gestellt werden, die in den vergangenen Jahren im Namen eines schwammigen Multikulturalismus der jungen Generation eine Menge Probleme hinterlassen hätten.

Als Reaktion auf den rassistischen Mob riefen vergangene Woche linke und anarchistische Gruppen zu antirassistischen Demonstrationen in Thessaloniki und Athen auf, an denen sich 1 000 bzw. 3 000 Menschen beteiligten. Wegen der rassistischen Berichterstattung flogen auch Molotow-Cocktails gegen das Gebäude des Nationalen Fernsehrates.

Nach der Demonstration verhaftete die Polizei zwei Anarchisten. Sie sollen wegen Waffenbesitzes angeklagt werden. Zu Waffen wurden die Fahnen erklärt, die sie nach der Demonstration nach Hause trugen. Eine konsequente Vorgehensweise der Staatsbeamten, waren die Fahnen doch nicht hellblauweiß, sondern schwarzrot.