Dandytum geht anders

Literaturmagazin Der Freund

Das Cover ist ausnehmend hässlich, logo, denn es muss ja ein Coup gelandet werden. Der Freund heißt ein neues Produkt aus dem Hause Springer, ein Vierteljahresmagazin, von dem es nur acht Ausgaben geben wird, zehn Euro kostet der Spaß am Kiosk. Die Branche munkelt, das Heft sei ein Zuschussgeschäft für Springer, im Verlag selbst spricht man davon, dass man Autoren über dieses Prestigeprojekt ans Haus binden wolle. Man findet keine Anzeigen in der Zeitschrift und keine Fotos, es könnte ein an amerikanische Vorbilder angelehntes Literaturmagazin sein, ist es aber nicht.

Christian Kracht, der als Herausgeber fungiert, und Eckhart Nickel, der als Chefredakteur im Impressum steht, haben das Heft erfunden, in der ersten Ausgabe finden sich Texte von Rem Koolhaas und Vladimir Sorokin, dazu kommen, wie absehbar war, Freunde der Herausgeber, also Benjamin von Stuckrad-Barre, Rebecca Casati oder Ingo Niemann. Der Freund, so lässt der Verlag in holprigem Deutsch wissen, sei »möglicherweise die erste Zeitschrift seiner Art in Deutschland«. »Es reihen sich Essays, Short Stories, literarische Miniaturen, Kolumnen, Gedichte und Interviews in einem amüsanten Forum aneinander.« Christian Kracht teilt mit: »Der Freund soll in der langsam erkaltenden Badewanne gelesen werden, am Sonntag, bei einer Tasse Tee und einer Zigarette.« Bei der Präsentation des Magazins herrschte Krawattenzwang.

Das große Problem dieser Generation von Literaten ist es, dass sie zwar einigermaßen schreiben können, aber nichts zu sagen haben. Jeder, der sich Reisen leisten kann und offenen Auges durch die Welt geht, sieht mehr. Nickel, Kracht und ihresgleichen glauben, dass ihnen ein Anzug einen Charakter macht. Man kann ihnen nicht nachsagen, dass sie einen schlechten Geschmack zeigen, nur sitzen die Anzüge nicht richtig, die Haare sind immer einen Tick zu verschwitzt, die Körperhaltung ist schlecht, die Aperçus sind zu vorhersagbar. Sie benehmen sich wie kleine Jungs, die Literaturbetrieb spielen, die nicht begreifen wollen, dass es zum Dandytum etwas mehr braucht als einen snobistischen Gesichtsausdruck, den man in der Pubertät vorm Spiegel eingeübt hat.

Auch im Spiel mit Ästhetik und Anti-Ästhetik sind sie angestrengte Stümper. So gelingt es ihnen zwar, mit dem Cover des Literaturmagazins – es zeigt einen nackten, stark behaarten alten Mann – ein wenig mit dem Titel ihres Blattes zu spielen und dem Freund eine kaputte Erotik zu verleihen, doch beim zweiten Blick langweilt man sich schon, der Scherz ist nicht so gut, als dass man sich die Zeitschrift auf den Wohnzimmertisch legen mag.

Das Konzept reicht aber allemal aus, um die Springer-Leute zu beeindrucken; in den entsprechenden Weblogs, in denen sich die arbeitslosen Buddies von Kracht und Co. äußern, erfährt man dann, dass die Verlagsleute bei der Präsentation der Zeitschrift kein Benehmen gezeigt hätten. Das mag stimmen, doch Der Freund und seine Inhaltslosigkeit beantworten leider auch die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass ausgerechnet die Gesitteten und Gutgekleideten dorthin eingeladen wurden. Sie gehören dort hin, weil ihre, nun ja, Haltung nur dort ernst genommen werden kann, wo Menschen vortäuschen, sie verfügten über Geschmack und Feinsinn.

jörg sundermeier