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Lesen bildet

Literatur. Früher haben Zeitungen höchstens mal ein wenig Merchandising produziert, irgendeinen Krempel mit Logo bedruckt, was der Leser-Blatt-Bindung dienlich sein sollte. Heute reicht das nicht mehr. Die Süddeutsche Zeitung hat es vorgemacht: Ihre Bücher aus der SZ-Bibliothek verkaufen sich blendend, und am Ende der Aktion wird der Süddeutsche Verlag um ein paar Millionen Euro reicher sein.

Weil das mit dem Geldverdienen so viel Spaß macht, wird die SZ demnächst auch noch eine CD-Kollektion herausbringen. Joachim Kaiser persönlich, der Superkritiker des Hauses, wird Klassiktitel zusammenstellen, die der Bildungsbürger unbedingt braucht, falls er sie nicht schon längst hat. Das Ganze läuft natürlich wieder unter geldbeutelfreundlichen »Geiz ist geil«-Bedingungen.

Noch viel besser ist allerdings, dass nun auch Bild mit ins Kulturgeschäft einsteigt. Ab dieser Woche wird es die unschlagbare »Bild-Bestseller-Bilbliothek« geben, die zusammen mit der Augsburger Weltbild-Verlagsgruppe herausgebracht wird. Auch hier wird es wie bei der Süddeutschen wöchentlich einen neuen Titel geben, der keine fünf Euro kosten wird. Das Tolle daran ist, dass man erst gar nicht versucht, den potenziellen Kunden angebliche Meisterwerke näher zu bringen, wie das die SZ teilweise versucht, sondern dass es sich hier ausschließlich um feinste Bahnhofskiosk-Literatur handelt.

Das erste Buch aus der Reihe, Mario Puzos »Der Pate«, ist noch nicht im Verkauf erhältlich und dennoch bereits vergriffen, da der Handel die gesamte Startauflage von 175 000 Exemplaren bereits geordert hat. Die nächsten Titel werden »Hannas Töchter« von Marianne Frederiksson und »Shining« von Stephen King sein. Es wird sich also durchgehend um Romane handeln, die weder der reinen Trivialliteratur noch dem hochoffiziellen Hochkulturkanon angehören. Das macht die Sache ja gerade so spannend. Dank Bild wird unsere Aufmerksamkeit wieder auf so wunderbare Schmöker wie »Shining« gelenkt, das ist doch großartig. Kaufen allerdings sollte man sich diese dann doch lieber auf dem Flohmarkt. Dort gibt es diese Bücher unter Garantie auch für einen Euro.

Den Kindern zuliebe

Süßwaren. Deutsche Kinder sind zu dick. Um diese Erkenntnis kreist derzeit ein frisch angezettelter Diskurs. Renate Künast hat über das Problem sogar ein Buch geschrieben und will sich auch sonst ganz toll dafür einsetzen, dass uns nicht noch mehr dicke deutsche Kinder in den U-Bahnen die eigene Sitzfreiheit einschränken. Doch während hierzulande noch kräftig lamentiert wird, sind sie in Großbritannien schon weiter. Denn dort wird jetzt auch gehandelt.

Britische Süßigkeitenhersteller haben sich darauf geeinigt, extragroße Schokoriegel wieder schrumpfen zu lassen. In den letzten Jahren lief es bei vielen dieser Riegel so, dass die Hersteller den Preis für die Schokostangen erhöhten, sie gleichzeitig vergrößerten und sie als King-Size-Ausgaben in die Regale stopfen ließen. Teilweise sind die Schokoriegel so zu gigantischer Größe mit natürlich auch gigantisch vielen Kalorien angewachsen.

Doch nun wollen die lieben Süßigkeitenhersteller eben beweisen, dass man trotz Kapitalismus und so zu einer kindergerechten Moral fähig ist. Die Logik lautet: Zuerst machen wir die dicken Riegel wieder dünner, dann wird mit den dicken Kindern schon dasselbe passieren. Na ja, wahrscheinlich wird es jedoch eher so laufen, dass sich Englands dicke Kinder eben keine King-Size-Riegel mehr kaufen, dafür aber zwei normale, um ihren Schokoladenhaushalt auszugleichen.

Die echte Französin

Françoise Sagan. Wer auch schon einmal bei einer Haushaltsauflösung seiner Eltern die dazugehörige Bibliothek durchgestöbert hat, dürfte mit Sicherheit auf sie gestoßen sein: auf die Bücher von Françoise Sagan. Damals, in der Blütezeit der Bertelsmann-Clubs, scheint Sagan auch ganz groß in Deutschland gewesen zu sein, vielleicht hat ein Sagan-Bestseller wie »Lieben Sie Brahms?« sogar erst den Bertelsmann-Clubs zu ihrer Blüte verholfen.

Heute dagegen wirkt Françoise Sagan fast wie ein Relikt aus einer vergangenen Epoche. Die Generation, die Sagan nicht nur aus Erzählungen kennt, sondern auch wirklich gelesen hat, stirbt langsam aus. Oder gibt es wirklich jemanden um die 30, der sich als echter Sagan-Leser outet? In Frankreich schien es zuletzt um die ehemals weltberühmte Autorin kaum anders bestellt gewesen zu sein als hierzulande. In manchen Buchhandlungen fanden sich nicht mal mehr ihre Bücher, als sie Ende vorletzter Woche an einer Lungenembolie im Alter von 70 Jahren verstarb.

Doch man erinnerte sich schnell wieder an sie, widmete ihr seitenlange Nachrufe und grub ihre besten Bonmots erneut aus. Schließlich war die Sagan mal eine echte Skandalliteratin, deren Leben allemal aufregender war als ihre Bücher, die immerhin damals dennoch für einige Aufregung sorgten. Gleich ihr erster Roman, »Bonjour Tristesse«, kollidierte mit dem prüden Frankreich der fünfziger Jahre. Das Buch galt als zu skandalös, freizügig und zynisch. Es muss der Autorin damals ähnlich ergangen sein wie Bret Easton Ellis, als er in den Achtzigern mit seinen Romanen die ersten Skandälchen provozierte.

Im Ausland kam die Schriftstellerin mit ihren Schilderungen von Dreiecksbeziehungen und anderen Ausschweifungen sofort gut an. Das Freizügige und leicht Verruchte verband man ja schon immer gerne mit Frankreich und besonders mit Paris – da kam eine wie die Sagan diesen Projektionen nur recht. Zumal es die Schriftstellerin ja auch noch in ihrem richtigen Leben so richtig krachen ließ. Sie landete immer wieder in Entzugskliniken, fuhr teure Sportwagen, hielt es nicht allzu lange in ihren Ehen aus und war spielsüchtig. Das größte Werk der Sagan, so scheint es gar, war ihr Leben selbst.