Willkommen in der Twilight-Zone

In Steven Spielbergs neuem Film »Terminal« wird der Flughafen zu einer Märchenwelt, in der sich Tom Hanks vom Frosch in einen Prinzen verwandelt. von andreas hartmann

Gut, wer seine Papiere nicht in Ordnung hat, kann auf internationalen Flughäfen schon mal schikaniert werden, doch das macht nichts, denn wer ein wenig guten Willen hat, kann auch als sogenannter Illegaler auf dem Flughafen eine herrliche Zeit verbringen. Nachdem ihm die Einreise in die USA verwehrt wurde, erlebt der von Tom Hanks gespielte Viktor Navorski jedenfalls wahrhaft märchenhafte Wochen und Monate auf dem New York Airport.

Sein Problem ist, dass er in seinem Heimatland Krakhozia – wahrscheinlich in der ehemaligen Sowjetunion gelegen und viel zu klein, als dass man es kennen würde – in einen Flieger nach New York gestiegen ist, weil er dort etwas zu erledigen hat: Er muss den letzten Wunsch seines verstorbenen Vaters erfüllen. Doch während des Fluges ist daheim eine Art Revolution ausgebrochen und der ganze Staat hat sich aufgelöst, es sind eben unruhige Zeiten dort unten angebrochen, seit es die UdSSR nicht mehr gibt.

Ergo: Wer kein Heimatland mehr hat, hat auch kein Recht auf einen Pass, und wer keinen Pass hat, na ja, der hat eben überhaupt keine Rechte mehr. So einen wie Viktor Navorski kann man nicht einreisen lassen, man kann ihn aber auch nicht einfach in den nächsten Flieger zurück nach Hause setzen, denn es gibt für ihn ja gar kein Zuhause mehr. Also wird Navorski – der anfangs nicht ein einziges Wort Englisch versteht, erstaunlicherweise aber schon nach ein paar Tagen zu komplexer Konversation in englischer Sprache fähig ist – erklärt, dass er vorerst den Flughafen schlicht nicht verlassen dürfe; solange, bis die ganze Sache geklärt ist.

Gut, dass Viktor Navorski von Tom Hanks gespielt wird. Denn dieser ist schließlich dafür bekannt, dass die von ihm gespielten Charaktere fähig sind, sich locker jeder Situation anzupassen (siehe auch: »Cast Away«, »Forrest Gump«). Und Tom Hanks macht sich dann auch fleißig ans Werk zu belegen, dass er wirklich nicht umsonst für diese typische Tom-Hanks-Rolle gecastet wurde.

Im folgenden meistert Navorski jede Hürde mit Bravour. Schnell findet er in dieser Twilight-Zone namens New York Airport ein stillgelegtes Terminal, das er als sein neues Domizil einrichtet, so richtig mit Schlafplatz und allem drum und dran. Die Ernährungsfrage ist auch bald geklärt: Mit den Pfandgeldern, die den von eiligen Passagieren stehengelassenen Gepäckwagen entspringen, lassen sich ohne Ende Sparmenüs finanzieren. Das Treiben von Navorski, der wider Erwarten eben nicht an seiner ungewöhnlichen Situation verzweifelt, sondern an seiner Aufgabe wächst, missfällt jedoch bald dem Leiter des Flughafens.

Der von Stanley Tucci gespielte Frank Dixon ist ein Karriere-Typ, der seinen Flughafen betreut wie ein NBA-Trainer seine Basketball-Mannschaft. Sein Personal soll das Beste aus sich herausholen, damit in der nationalen Flughafen-Meisterschaft bald klar ist: Der beste Flughafen Amerikas ist der New Yorker Flughafen. Klar, dass jemand wie Dixon einen Flughafen-Herumlungerer wie Navorski nicht gebrauchen kann. Er will ihn loswerden, um jeden Preis. Es kommt ihm die Idee, den Illegalen dazu zu bewegen, etwas Illegales zu tun, den Flughafen zu verlassen beispielsweise. Dann könnte er ihn von der staatlichen Polizei festnehmen lassen und hätte das Problem vom Hals.

Doch natürlich durchschaut Navorski die Finten seines Gegners, ein regelrechtes Katz- und Maus-Spiel beginnt. Navorski macht es zunehmend Spaß, seinen Feind zu demütigen, und er denkt nicht im Traum daran, das Flughafen-Areal hinter sich zu lassen. Langsam, aber sicher wird er zum wahren Chef des Flughafens, er hat die Fäden in der Hand, wird bald von allen geliebt, und am Ende liegt Dixon zerstört am Boden.

»Terminal« erzählt ein Drama, gerät aber unversehens zur Komödie. Der authentische Fall, der der Story zugrunde liegt, klingt ebenfalls dramatisch absurd und lustig zugleich. Seit 16 Jahren hängt ein Iraner wegen bürokratischer Probleme mit seinen Papieren auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle herum. Vor einigen Jahren hat sich sein Fall geklärt, man hatte ihm angeboten, die Sache mit seinen Papieren zu klären. Doch der 60jährige Mann, der sich inzwischen »Sir Alfred« nennen lässt, hat sich entschieden, seinen stillen Protest gegen die Bürokratie auch weiterhin zu betreiben. Angeblich konnte er nicht durchsetzen, dass sein Ausweis auf den Namen Sir Alfred ausgestellt wird, weswegen er lieber auf seinen Pass verzichtete und deshalb immer noch den Pariser Flughafen bewohnt. Inzwischen soll der Mann auch noch zu wahrem Reichtum gekommen sein, mehrere hunderttausend Dollar bekam er angeblich dafür, dass Spielberg »Terminal« nach Motiven seiner Biografie produzieren durfte.

Doch all die politischen Implikation eines derart realsatirischen Falls haben Spielberg nicht interessiert. Schließlich ist für einen echten Illegalen ein Flughafen wohl kaum eine Märchenwelt, in der man auch noch eine Stewardess in sein Privatterminal locken kann, die so aussieht wie Catherine Zeta-Jones. Als Illegaler bekommt man es auch nur in den seltensten Fällen mit dem Chef aus der obersten Etage persönlich zu tun, sondern mit irgendeinem berufsmäßig ignoranten Bürokratenhengst oder gleich mit der Grenzpolizei.

Die ganzen Abenteuer, die Navorski erlebt, resultieren daraus, dass er zu einem Menschen erklärt wurde, der unerwünscht ist. Doch niemals würde jemand in einer derartigen Situation derart hanebüchene Abenteuer erleben. Vollends bizarr wird es, wenn Navorski auch noch anfängt, nachts den Flughafen umzubauen. Dank seiner handwerklichen Fähigkeiten bekommt der Illegale einen legalen Job, verdient gutes Geld dabei und bekommt so auch noch Eintritt in die wunderbare Welt des Flughafen-Shoppings.

Vielleicht dachte sich Spielberg, dass er der Kuriosität der von ihm erzählten Geschichte nur dadurch gerecht werden könnte, indem er sie auch als echtes Kuriosum erzählt. Die Story von einem Iraner, der seit 16 Jahren auf dem Pariser Flughafen tagein-tagaus die Rolltreppen rauf und runter fährt, klingt schließlich so unglaubwürdig, dass Spielberg zu der Erkenntnis gekommen sein muss, sein Film könne eh kaum grotesker als die Realität ausfallen. Doch da irrt er. Tagtäglich werden Reisende auf Flughäfen nicht nur wie Passagiere erster Klasse, sondern wie Menschen zweiter Klasse behandelt, nur weil ihre Papiere nicht den gesetzten Normen entsprechen. Das ist wahrhaft grotesk. Doch diese Tatsache hat in Spielbergs Flughafenmärchen nichts zu suchen.

Man hat das Gefühl, dass Spielberg durchaus versucht hat, seiner Komödie auch einen politischen Anstrich zu verleihen. Nicht nur der Held seines Films ist ein Staatenloser, auch die meisten der weiteren Hauptpersonen in seinem Film sind Migranten, deren Daseinsrecht auf US-amerikanischem Boden andauernd gefährdet ist. Doch egal ob es sich um den putzenden Inder oder um den Mexikaner aus der Küche handelt, alle haben enormen Spaß bei ihrer Drecksarbeit und werden geduldet, obwohl der Flughafen-Chef längst weiß, dass er berechtigt wäre, sie des Landes verweisen zu lassen. Das Genre des Sozialdramas ist wohl einfach nichts für Steven Spielberg. Der Mann hat in seinen Filmen immer wieder bewiesen, wie viel Phantasie er hat, doch wie beschissen das alltägliche Leben manchmal einfach sein kann, das vermag er sich anscheinend kaum vorzustellen. Kann Steven Spielberg nach Filmen wie »Catch Me If You Can« und »Terminal«, nach diesen beiden eher mediokren Filmen über kuriose Biografien, nicht einfach lieber wieder etwas mit Dinosauriern machen?

»Terminal« (USA 2004) Regie: Steven Spielberg. Start: 7. Oktober