Alles, was recht ist

Asylgesetz in Österreich von martin schwarz, wien

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat das erst seit Mai geltende Asylgesetz des Landes in drei wesentlichen Punkten für verfassungswidrig erklärt und damit der schwarz-blauen Bundesregierung ein Problem beschert. So war etwa im Asylgesetz verankert, dass ein Asylbewerber in der zweiten Instanz nur dann neue Gründe oder Beweise für die Würdigkeit seines Asylantrags vorlegen darf, wenn er im ersten Anlauf aufgrund einer medizinisch nachweisbaren Traumatisierung nicht in der Lage dazu war. Eine solche Bedingung sei verfassungswidrig, beschied das Gericht. Ebenso kassiert hat der Gerichtshof jene Paragraphen des Gesetzes, die einem Asylbewerber, dessen Antrag abgelehnt wurde, den Schutz vor Abschiebung entziehen. Das sei ein glatter Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention, befanden die Verfassungsrichter.

Dass die österreichische Bundesregierung gerade in sensiblen Angelegenheiten wie Asyl lieber restriktiver agiert, als es Verfassung oder europäische Rechtsnormen erlauben, ist keine Sensation. Auch andere europäische Regierungen gießen xenophobe Grundstimmungen der eigenen Wählerschaft schon einmal gerne in entsprechende Gesetze und werden dann von den Gerichtshöfen korrigiert. Dass Derartiges in Österreich geschieht, sollte angesichts einer Regierung, die den Schutz vor Fremden zu einem zentralen Punkt des Regierungsprogramms erklärt, auch nicht weiter schockieren.

Die Asylgesetze zu verschärfen, war angesichts der Konstellation der Wiener Koalition ein logischer Schritt. Nur hier kann die Freiheitliche Partei noch ein wenig von ihrer Identität retten, nur hier kann die größere konservative Volkspartei Zugeständnisse machen, ohne die zentralen Punkte des eigenen Wahlprogramms zu gefährden. Für die Volkspartei ist die Asylgesetzgebung also eine politische Zugabe für den Koalitionspartner.

Tatsächlich verstörend hingegen wirkt die Reaktion des – zur Volkspartei gehörenden – österreichischen Innenministers Ernst Strasser: »Nicht alles, was Recht ist, muss auch gut sein«, kommentierte er. Genau: Ein Minister, dessen Portefeuille es im wesentlichen ist, Österreichs Gesetzgebung und die Vorlagen der Justiz mit seinem Apparat an Exekutivbeamten durchzusetzen, merkt kritisch an, dass Rechtsprechung exakt dort »nicht gut« ist, wo sie den Interessen einer Regierung entgegensteht. Wovon das zeugt? Von nichts anderem als einem autoritären Staatsverständnis, das die Verfassung eher als Beiwerk betrachtet und nicht als Basis demokratischer Kontinuität in einem Staat. Hätten die Verfassungsrichter der Asylgesetzgebung von Schwarz-Blau ihren Sanktus gegeben, wäre ihnen der stille Applaus des Rechtsinterpreten Strasser sicher gewesen.

Dass Bedrohliches im Ministerium des Ernst Strasser vorgeht, haben übrigens erst in der vergangenen Woche die Grünen im Parlament angemahnt: Gegen zwei Anwälte, die sich um die Rechte von Asylbewerbern kümmern, wurden Ermittlungen des Bundeskriminalamts wegen Schlepperei eingeleitet. Nicht weil es Beweise gegeben hätte, sondern bloß wegen einiger Gerüchte, die im Ministerbüro umhergewabert sind. Beeindruckend, wie eifrig der Minister um die Durchsetzung des Rechts bemüht ist. Zumindest, wenn es um die strafrechtliche Verfolgung zweier Anwälte geht, die das Asylgesetz vor dem Verfassungsgericht angefochten haben und damit zumindest Mitschuld an dem legislativen Desaster der Bundesregierung tragen.