Ein Oberst auf Reisen

Venezuelas Präsident verhandelt über Ölpolitik von simón ramírez voltaire

Er ist wieder unterwegs: Der venezolanische Präsident Hugo Chávez bereiste in der vergangenen Woche Spanien, Russland und Libyen. Auf jeder Station seiner Reise hat der leutselige ehemalige Oberst, der ausnahmslos jeden duzt und auf Staatsbesuchen gerne mit Bediensteten plaudert, für Diskussionen gesorgt.

In Spaniens war es zunächst Außenminister Miguel Ángel Moratinos, der die Gelegenheit für eine Abrechnung mit der konservativen Vorgängerregierung unter José Maria Aznar nutzte. Diese habe, so führte er in einer Talkshow aus, den von rechtsextremen Unternehmern und Militärs organisierten Putschversuch in Venezuela im April vor zwei Jahren aktiv unterstützt. Die spanische Rechte tobte, Chávez erklärte kühl, er habe »keinen Zweifel«, dass Moratinos’ Darstellung richtig sei. Glücklicherweise sei die Ära des den »Befehlen Washingtons unterstellten Spanien« nun vorbei. Er beglückwünsche das auferstandene »freie und unabhängige Spanien«.

Nach diesem Schulterschluss mit dem sozialdemokratischen Bush-Gegnern in Europa wandte er sich dem Geschäft zu. In Russland verkündete Chávez, dass die Zeit der niedrigen Ölpreise vorbei sei, und schlug Präsident Wladimir Putin vor, den Mindestpreis von 22 auf 30 Dollar pro Barrel anzuheben. Die staatliche venezolanische Ölgesellschaft PDVSA und der russische Ölkonzern Lukoil unterzeichneten auch gleich eine Vereinbarung über eine künftige Zusammenarbeit.

»Wie ein kleines Kaninchen« hätten die USA früher Venezuela herumgeführt, sagte Chávez, doch nun »sind wir frei und werden es auch in Zukunft sein«. Von der Opposition in Venezuela wurde Chávez scharf für seine Ölpolitik kritisiert: »Er setzt das Erdöl in Verhandlungen mit anderen Ländern als politische Waffe ein«, schrieb die der Putschopposition nahe stehende Publizistin Maruja Tarre.

Das versucht er tatsächlich. Mit den Öleinnahmen sollen sozial- und entwicklungpolitische Projekte finanziert werden, und allein die Position Venezuelas als fünftgrößter Erdölexporteur der Welt garantiert Chávez Gehör in der internationalen Politik. Ihre ökonomische Macht in Verhandlungen auszuspielen, war für die Länder des Nordens und für den IWF schon immer ein Mittel, politische Forderungen durchzusetzen. In diesem Fall versucht ein Land des Südens, den Spieß umzudrehen.

Hohe Rohölpreise sind für Venezuela, ebenso wie für andere Förderstaaten des Südens, ein Mittel der Umverteilung vom Norden in den Süden und ein Weg zur Finanzierung staatlicher Projekte, argumentierte der venezolanische Botschafter in Wien, Gustavo Márquez Marin. Der Tageszeitung Der Standard sagte er die Opec sei ein »Beispiel für eine funktionierende Süd-Süd-Kooperation«.

Allerdings sind Saudi-Arabien und einige andere Opec-Staaten bereit, den Ölpreis wieder zu senken. Hier könnte die Kooperation mit Russland, das der zweitgrößte Erdölexporteur der Welt, aber nicht Mitglied der Opec ist, Abhilfe schaffen. Auch mit Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi dürfte Chávez über die Ölpreispolitik gesprochen haben. Das Ergebnis bleibt ein Geheimnis der beiden Obristen. Über einen anderen Preis aber bestand Einigkeit. Gaddafi verlieh den nach ihm benannten Menschenrechtspreis an Chávez. Man mag darüber streiten, ob das ein Imagegewinn ist. Doch es gibt bereits eine internationale Initiative, die Chávez noch höherer Ehren für würdig hält, und dafür wirbt, ihm den Friedensnobelpreis zu verleihen.