Dabeisitzen ist alles

Die UN-Reformkommission hat vorgeschlagen, die Zahl der ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat zu erhöhen. An den Machtverhältnissen in der Weltorganisation würde das wenig ändern. von martin schwarz

Im Kampf um die Erweiterung des Sicherheitsrates von 15 auf 24 Mitglieder hat die Reformkommission der Vereinten Nationen Deutschland und den anderen Aspiranten auf einen Sitz im wichtigsten Gremium der Weltorganisation in der vergangenen Woche einen Vorschlag unterbreitet: Zu den bisherigen fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates kommen sechs weitere hinzu. »Die Chancen auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat sind so gut wie nie zuvor«, frohlockt man im Auswärtigen Amt. Auch Japan, Brasilien, Indien, Nigeria und Südafrika hoffen, dass sie zu den Auserwählten gehören werden. Doch diese sechs Nachrücker sollen im Gegensatz zu den fünf bisherigen ständigen Mitgliedern kein Vetorecht besitzen.

Regie geführt bei diesem Modell haben die USA. Sie hätten es nicht zugelassen, das Vetorecht mit Mächten zu teilen, die beispielsweise bei der Vorbereitung des Irak-Feldzuges eher hinderlich waren. Und auch andere Vetomächte wie China und Russland sehen wenig Anlass, ihre Privilegien aufzugeben. Im Wissen um diesen Widerstand hat der Vorsitzende der UN-Reformkommission, der ehemalige thailändische Premierminister Anand Panyarachun, früher durchdachte Optionen wie die Ausweitung des Vetorechts auf die neuen ständigen Mitglieder schnell fallen lassen. Der Alternativvorschlag seiner Kommission, den Sicherheitsrat um acht »semipermanente«, für vier Jahre gewählte Mitglieder zu erweitern, würde noch weniger an den Machtverhältnissen ändern.

Das Ziel der UN-Reform war es, dem Ende der bipolaren Ausrichtung der Weltpolitik und den neuen globalen Machtverhältnissen Rechnung zu tragen. Schon der Grundgedanke, weltpolitischen Einfluss nach Maßgabe staatlicher Macht zuzuteilen, ist nicht unbedingt demokratisch. Aber auch der Plan, die Macht zwischen den Großmächten neu zu verteilen, ist letztlich gescheitert. Die Vereinten Nationen verkaufen diese Lösung dennoch als großen Durchbruch, schließlich sollen auch Lateinamerika, Afrika und Asien stärker im Sicherheitsrat vertreten sein.

In ähnlicher Weise hat die Reformkommission die Frage beantwortet, welche Rolle künftig den Vereinten Nationen bei der Legitimierung von kriegerischen Handlungen zukommen soll. Im September erst hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan den Irakkrieg als »illegal« und »nicht in Übereinstimmung mit der UN-Charta« bezeichnet. Damit es nie wieder illegale und nicht mit der UN-Charta übereinstimmende Militäraktionen gibt, soll diese nun einfach neu gefasst werden. Bisher ließ die Charta dem Sicherheitsrat kaum Spielraum, wenn es darum gehen sollte, Krieg gegen ein Land zu führen, das nicht selbst einen Angriff auf ein anderes UN-Mitgliedsland geführt hat. Ein Präventivkrieg war nur gestattet, wenn ein solcher Angriff unmittelbar bevorstand.

Das soll jetzt anders werden: Wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind, kann auch ein »kollektives Gewaltmandat« erteilt werden, etwa bei einem drohenden Genozid, beim drohenden Aufbau eines Arsenals an Massenvernichtungswaffen oder wenn schwerste Menschenrechtsverletzungen zu befürchten sind. Wären die Bestimmungen aus Kapitel VII der Charta schon vor dem Irakkrieg geändert worden, hätte der Sicherheitsrat seine Zustimmung geben können, ohne gegen die eigene Charta verstoßen zu müssen. Sollte die Änderung der Charta beschlossen werden, wird UN-Generalsekretär Kofi Annan sich beim nächsten Militärschlag wenigstens nicht mehr mit der quälenden Frage befassen müssen, ob der Angriff denn überhaupt mit den Statuten seiner Organisation vereinbar ist.