Nie wieder Prestige

Zwei Jahre nach dem Tankerunglück der »Prestige« habe sich die Lage normalisiert, sagt die spanische Regierung. In Galizien sieht man das anders. von inge wenzl, barcelona

Mit dem Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak und der Einstellung eines gigantischen Flussumlenkungsprojekts hat die spanische Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero zwei ihrer Wahlkampfversprechen erfüllt. Doch auch unter ihrer Federführung bleiben die Folgen des Unglücks, das den Öltanker »Prestige« ereilte, tabu.

Etwas über zwei Jahre ist es her, dass der mit 77 000 Tonnen Schweröl beladene Frachter nach sechs Tagen Seenot in zwei Teile brach und 240 Meilen vor dem Cap Finisterre (Galizien) in 3 700 m Tiefe sank. Damit löste er eine Ölpest ungeahnten Ausmaßes aus; es war die bislang größte Umweltkatastrophe Europas.

Zwar ließ die sozialdemokratische Regierung im vergangenen Mai endlich den gesunkenen Tanker mittels modernster Technologie auspumpen, auch sind die Strände der Costa da Morte scheinbar weitgehend gereinigt. Doch unter Steinen und Sand befinden sich bis heute noch große Mengen Öl. Besonders betroffen ist davon die Küste westlich von Santiago de Compostela und der Naturpark der Atlantischen Inseln. Nur noch 40 Arbeiter einer vom Staat engagierten Firma sind derzeit dort tätig, und auch ihr Vertrag läuft Mitte Dezember aus. Dazu kommen ein bis zwei Dutzend Freiwillige, vor allem an den Wochenenden. Sven Schwebsch, der von Anfang an mitgeholfen hat, schätzt, dass sie täglich 100 bis 200 Tonnen Öl beseitigen.

Nach eigenen Angaben hat die Firma Repsol von Mai bis Oktober 13 600 Tonnen Schweröl aus dem Bug des Schiffes geborgen. Der verbleibende Rest soll durch Bioremediation, das heißt mit Hilfe von Bakterien, zersetzt werden. Vergleicht man diese Zahlen mit der Ausgangsmenge, ist jedoch zu vermuten, dass sich noch größere Mengen Öl in einem der beiden Schiffsteile befinden; es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Tanks durchrosten und es an die Oberfläche geschwemmt wird.

Die Folgen des Tankerunglücks der »Prestige« machen sich inzwischen deutlich bemerkbar: Entgegen der Propaganda der Regierung Galiziens beklagen die Fischer für das Jahr 2004 einen Rückgang ihrer Fänge von 30 Prozent. »Der Unfall hat die Reproduktion der Arten gestört. Viel zu früh ist es den Fischern erlaubt worden, wieder auszufahren«, erklärt Pablo Villar, Geschäftsführer der Fischerzunft von Cangas. Für die nächsten Jahre rechnet er mit noch größeren Verdienstausfällen. Nach Angaben der Zentralregierung haben inzwischen 90 Prozent der Fischer in Galizien Entschädigungszahlungen erhalten. Doch was die spanische Regierung langfristig für sie tun will, ist noch unklar.

Für ihren fahrlässigen Umgang mit dem Unglück ist die Regierung Aznar bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen worden. In Spanien müssen sich nur der Kapitän des Schiffes sowie drei seiner Untergebenen vor Gericht verantworten. Gegen den ehemaligen Generaldirektor der Handelsmarine und Regierungsvertreter Spaniens in Galizien, José Luis López-Sors, hat die Bürgerinitiative »Nunca Mais« Anklage erhoben. Doch auch die neue Regierung wünscht nicht, dass er verurteilt wird: Als Nachfolger der Regierung Aznar müssten Zapatero und seine Regierung dann für den entstandenen Schaden aufkommen.

Präventionsmaßnahmen gegen künftige Unfälle haben die spanische Regierung und die EU nur begrenzt getroffen. Noch bis März 2005 dürfen Einhüllentanker durch europäische Meere fahren. Die für ihre rauhe See berüchtigten galizischen Gewässer stellen mit ihren rias (fjordähnliche Buchten) ein einzigartiges Ökosystem dar und sind nach wie vor für den Transport gefährlicher Güter freigegeben. Bis heute ist kein Notfallplan für Tankerunglücke ausgearbeitet worden. Wenn nicht tief greifende Maßnahmen getroffen werden, um neue Unfälle zu vermeiden, wird Galizien möglicherweise von einer neuen Ölpest heimgesucht werden, ehe die Folgen der letzten verschwunden sind.