For Gays, King and Country

Vor der australischen Küste haben Homosexuelle einen unabhängigen Staat gegründet. Doch trotz einer Kriegserklärung ignoriert Premierminister Howard die renitenten Inselbewohner. von sarah diehl

Als die australische Regierung in diesem Jahr die Homoehe ablehnte, reichte es dem 39jährigen Dale Anderson. Er paddelte mit seinem Boot »Gayflower« nach Osten zu einer kleinen unbewohnten Insel namens Cato, hisste die Regenbogenfahne und ernannte sich zum König des neu zu gründenden »Gay and Lesbian Kingdom of the Coral Sea Islands«, kurz Gay Kingdom. Seine erste Amtshandlung am 13. September war die Kriegserklärung gegenüber Australien. Nicht dass jemand nun rosa Bomben auf Sydney werfen will, die Kriegserklärung ist eine strategische Maßnahme, die Australiens Premierminister John Howard dazu bringen soll, Cato Island als eigenständigen Staat anzuerkennen.

Was zunächst als Kunstprojekt oder Scherz erscheint, wird nun ernsthaft betrieben. Tatsächlich ist Cato ein Experimentierfeld für eine gelebte schwul-lesbische und internationalistische Utopie: Die Hauptstadt heißt Heaven, die Nationalhymne ist »I am what I am« von Gloria Gaynor, die Nationalfahne die Regenbogenfahne, und die Insel soll zum Zufluchtsort für alle Queers dieser Welt werden.

Die Bestimmungen zur Staatsbürgerschaft orientieren sich an Israels »Right to Return«, so dass jeder, der nach Cato kommt und sich als Mitglied des Gay Tribe sieht, d.h. eine heterosexistisch geprägte Genderidentität ablehnt, automatisch die Staatsbürgerschaft erhält. Auch über das Internet kann man einen Pass beantragen.

Mit dem Gay Kingdom wurde der wohl internationalste Staat gegründet, den die Welt bislang gesehen hat. Alles, was zu einem Staat gehört, soll international organisiert werden. Als Währung wurde der Euro für tauglich befunden, ab 2005 sollen eigene Briefmarken gedruckt werden, als Militär werden alle schwul-lesbischen Aktivisten der Welt benannt, ebenso soll die konsularische Vertretung geregelt werden. Das Symbol der Armee ist das rosa Dreieck, mit dem die Nazis Schwule kennzeichneten. Bear Pride, Leather Pride, Red Ribbon, alle Symbole der schwul-lesbischen und queeren Szene sind auch im Gay Kingdom in Gebrauch.

Es gibt weder Gebäude noch Straßen, geschweige denn einen Hafen, doch mit der Unterstützung aller neuen StaatsbürgerInnen soll schon sehr bald die Infrastruktur der Insel aufgebaut werden. Zur Finanzierung wurde der »gay government trust fund« gegründet, der Spenden sammeln soll.

In der Unabhängigkeitserklärung, die auch an die Vereinten Nationen geschickt wurde, wird betont, dass der australische Staat seiner Pflicht nicht nachgekommen sei, alle Bürger gleichberechtigt zu behandeln. Es folgt eine ausführliche Erklärung über die staatliche Diskriminierung der Schwulen und Lesben, die mit gesellschaftlicher Gewalt und Ausgrenzung konfrontiert sind. Wenn man als schwuler oder lesbischer Mensch Staatsbürger zweiter Klasse sei, müsse man eben auswandern und sich seine eigenen Strukturen schaffen. Hier wird jedoch auch deutlich, dass es sich um ein Privileg von Weißen handelt, die sicher sein können, nicht sofort niedergemetzelt zu werden.

Anderson gilt als Nachfahre des 1327 ermordeten englischen Königs Edward II. Dass die Regierungsform eine »Monarchie« mit ihm als König ist, soll die staatsgründerische Aktivität erleichtern. Denn so wird es Australien, das an britisches Recht gebunden ist, erschwert, das Gay Kingdom wegen Landesverrats zu verklagen. Neben Anderson als König gibt es aber auch eine Regierung mit dem Premierminister David Smith. Auch mehrere Anwälte kämpfen um den Bestand des Gay Kingdom. Sie bereiten derzeit einen Antrag zur Unabhängigkeit vor, der demnächst dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorgelegt werden soll.