Die gute alte versiffte Punkparty

Was einer denkt, der gerade zum Konzert ins Clash im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg geht. von lutz erkenstädt

Ich war ja schon lange nicht mehr auf so was. Punkparty. Ein Selbstversuch also. Standesgemäß findet das Ganze im Mehringhof, Berlin, statt, einer alten Fabrik, die in etwa so was ist wie die Rote Flora in Hamburg oder die Ex-Steffi in Karlsruhe oder das AJZ in Bielefeld, nur irgendwie mehr Westberlin oder Hauptstadt oder wie man das nennt, auf jeden Fall: lauter. Oder: mehr. So was dann allerdings genau.

Ganz früher war hier mal das Ex, dieser Riesenladen mit Geschichtslast, der ja nun auch ganz anders heißt, nämlich Clash, und vorher noch Muvuca, und vor dem Ex auch ganz anders, das waren Zeiten, Kinder, wie die Welt vergeht, mein Gott! Das Clash gab es vorher im Wedding, diesem anderen Stadtteil von Westberlin, wo die Linke nicht hingeht, weil sie immer nur in einem Teil ist in einer Stadt, auch wenn die groß ist. Das aber hat jetzt nichts mit dem Clash zu tun. Also der Text bis jetzt und das Clash im Wedding.

Dieses Clash hier heißt Clash, weil die Zivilisationen clashen, und die Band Clash clasht auch und lässt es krachen und sammelt für Nicaragua oder anderen Kaffee, der heute ja ein bisschen kalt ist für die Szene, man muss das heute sowieso alles im Präteritum schreiben, weil Joe Strummer tot ist wie die Ramones und wie sowieso alles, man merkt, ich bin schon über 30. Clash allerdings, das ist ein guter Name, weil auch er Geschichte hat irgendwie, und da drin wird an diesem nämlichen Abend, wo ich mich selbst versuche, zu dieser Musik, diesem Punk aufgetanzt und schwer am Bierkrug genuckelt, und das ist gut so, sagt der Bürgermeister ja immer mit seinem Mund.

Gut ist auch, wenn nicht sogar superb oder okay, dass die Kollegen von der Polizei bereits auch mal demonstriert haben, gestern nämlich, also am Vortag von dieser Geschichte hier. Demonstriert haben die Green Boys, und zwar den Fans von Green Day, dass sie ebenfalls ganz genau und also überhaupt wissen, wer hier auftaktet, also das Ex-Ex, das nun wieder Clash heißt und eröffnet und wo das Ganze seinen revivalartigen Kontext findet, im legendären Mehringhof nämlich, der mal autonom und so’n Terrordings und was weiß ich denn alles war, sogar die Redaktion der Bahamas war mal hier ansässig, aber das sind auch nur so Geschichten.

Jetzt jedenfalls hat es hier den Fahrradladen, der hier einfach wie früher ist, und den Buchladen Schwarze Risse sowie einen Stapel Verlage, die uns Linke noch mehr links machen qua Theorie. Und überhaupt ist der Mehringhof eine verdammte Legende, an der er selbst schwer kaut und verdaut und es aber alles in Gänze und gesamt auch nicht geschluckt kriegt, und jedenfalls ist es hier noch sehr bewegungsstark, und aber auch ganz anders schon. Schon schön, by the way, und hier mal so beiseite gesprochen, was man alles mitkriegt an Prozessen beim Altern, das ist der verdammte Irrsinn, das alles, hammergeil, so ist das!

Wie auch immer, die Polizei also hat mal ihre Muckis herumgezeigt und anfassen lassen, mit allem Pipapo am Tag zuvor und ein bisschen Geschubs und Geschnauzbarte. Jetzt wissen die Bullen auch gleich, was eine Harke ist gegen den Staat und wo die steht. Und die steht gewissermaßen im Mehringhof, wo sie nur noch eine oder einer oder beide in die Hand nehmen muss und müssen, das ganz intensiv, und dann wird der Laden ausgekocht und alles. Der »Laden«, das meint an dieser Stelle selbstredend Deutschland oder den Kapitalismus oder das Schweinesystem oder Vatis unaufgeräumte Küche und das ganze Elternhaus eh und an und für sich, also das muss jedenfalls töfte zu Brei gerührt werden, dass es sich schüttelt im totalen Gobalkapital, durchrüttelt und erbebt mit der ganzen Vollscheiße, und dann reißt es im Gebälk, und durch den Riss kommt dann die Multitude heraus mit Frieden, Freiheit, Sonnenschein und absolut gleichem Tierrecht. Und die Multitude säuft sich dann sofort zufrieden tot, weil jetzt eben Kommunismus, und was dann eben alles immer so passiert mit Freiheit und nackter Brust da oben auf den brennenden Autos von Kreuzberg im Mai bei der Revolution, ganz genau so sagt es nämlich Negri, und so sagt es auch die Band, die hier und heute demonstriert vermutlich (denn ich muss die ja erst mal sehen und hören jetzt gleich hier im Haus).

So ist das aber ganz bestimmt und auf alle Fälle mit den Waffen, den Gitarren, dem Beat überhaupt, siehe die ganzen Technophilosophen, die auch wissen, dass der Bass das System angreift oder umstülpt oder geschlechtsspielerisch macht oder wie auch immer.

Wahnsinn. Das jedenfalls weiß ich alles schon, als ich vor der Tür stehe, die nicht ins Clash führt, sondern in die Schule für Erwachsenenbildung, die gar kein Verein ist, um Gelder aus den Institutionen abzusaugen, sondern durchaus richtig und ernsthaft junge Leute, die aber nicht mehr jung genug für die anderen Schulen sind, an die Hand nimmt und durchs Leben führt, sodass sie Mitglieder werden in dieser Gesellschaft oder links oder beides, wogegen einem und einer ja ebenfalls nichts einfällt, weil das immer eine feine Sache ist mit Sinn, wenn einer sich kümmert um die andere oder eine um eine und einer um einen, wie man so schön und präzise und genau sagt.

Das sagt man übrigens, während man dieser Seele oder den Identitäten keinen Fußbreit lässt argumentatorisch und überhaupt dem ganzen Klüngel und Quickelquackel, der irgendwie was anderes ist, als man selbst sein will, und den sie einem nur in den Pass reinschreiben, diese Schweine mit ihrem Kacksystem, jedenfalls dagegen stinkt man an und steht auf, damit das ein Ende hat, Ruhe ist, Ausdiemaus, kurzum eine gute, alte Revolution mit Napalmbomben und heißen neuen Kickboxtechniken und allem sonst, was den Vagabandas und Guerillas und Kleingärtnern ein Wesensbedürfnis ist von innen her.

Wo war ich? Ach so, ja, da gehe ich jedenfalls rein in den Eingang, und siehe, die Honigballverkäufer, Palituchträgerinnen, Schwarzkittelträgerinnen und Spitzbartlümmel und überhaupt das ganze linke Gesocks, das es einem angenehm macht. Naja, angenehm, Sie oder du oder ihr wisst und/oder wissen schon, man kommt gewissermaßen drin vor, weil man’s ja auch selber ist, also anders, und selbst dann, wenn man nicht mit allem was zu tun haben will, weil die kaputtmachen, was man selbst ist, und das selbstredend ganz ohne Identität und trara.

Aber ich verzettele mich: Also drinnen in der Schule für Erwachsenenbildung ist alles fein links, dabei stinkt es prima nach Bier und Schweiß, weil hier seit tausend Jahren getanzt wird, und die ganzen Fenster sind abgeklebt und dichtgemacht wegen den Nachbarn, die nicht mit auf Revolte wollen, noch nicht, obschon sie wiederum natürlich auch das Volk sind, aber das wissen sie, also die Nachbarn, noch nicht, die müssen erst noch befreit werden vom Joch des ganzen Zeugs da.

Wir aber sind schon beinahe, vor allem aber viel mehr frei. Schremm schrabbel schremm, die Bands sind der reine Lärm, irre! Das fetzt mir schier die Ohren weg, das ist exakt wie vor 18 Jahren, ich bin schon ganz Pubertät im Kopf und revoltig und extrem angefixt von dem Aufstand, den diese Jungs da machen, weil Frauen sind dann doch nicht auf der Bühne oder im Publikum, zumindest nicht so viele im Verhältnis, meine ich. Aber Hölle, wie damals, als wir noch stagedivend von den Massen getragen wurden, weil wir keine Angst um die Brille hatten, die ja damals auch noch Muttern bezahlt hätte, und das, obwohl es noch nicht mal Fielmann gab, oder jedenfalls fast noch nicht.

Da werde ich plötzlich ganz anders im Magen, weil das hier nämlich genau dieselbe Authentizität hat wie der Bass im Techno, wo ich Jahre später eingeladen war auf den Partys, wo die ganzen Paris Hiltons und Ben Beckers, die Berlin erst zu der Hauptstadt der Linken oder des Koks oder wie gemacht haben, schwer cool waren, und wir immer mittenmang, weil Aufstand, Auflösung, Rausch und Karriere, alles in einem Boot und immer auf der richtigen Seite.

Damals waren ja Laptops auch noch mehr links als heute. Und jetzt quasi wieder zurück durch die Zeit zu den wahren Werten, die eben nicht nur Roland Koch will, sondern irgendwie auch der gewaschene Punk von der Dresdner Bank, kein Wunder, dass es hier nach feiner Naturseife und Scheiße zugleich stinkt im Raum, da verbrüdern sich die Klassen, die man ja sowieso nirgends mehr hat außer in der Schule, Schule wie hier, ein Wortwitz haha.

Und da vorne einer mit Palituch und dem schwarzen Schlumpf, der ihn ganz autonom und unstaatsmäßig macht für die obenerwähnten Nachbarn, er ist dabei, laut »Fotze« durch den Raum zu brüllen und die Mittelfinger zu zeigen, der Band und uns, mannmann, oberaffengeil, der volle Revoluzz hier. Der also brüllt das, weil man das macht, wenn man Punker ist oder HipHopper oder sonst eine arme Wurst, die sich die Identität zusammenklauben muss auf diesem Scheißdreck für fünf Euro, na ja, ist doch super, denn das Bier schmeckt wie immer, wenn’s schmeckt, wir sind doch sowieso alle links hier, oder nicht, und jedenfalls vorm Beat verbrüdert, der wie Technomarsch ganz preußisch ist, nur älter, gewissermaßen, so wie ich. Toll. Und Glück ist sowieso nur eine bürgerliche Fiktion. So, da habt ihr. Oder was?