Herr Schmidt zurück in der Anstalt

Kleines Studiopublikum, keine Gäste: Der neue Harald Schmidt ist nicht mehr der alte. von martin schwarz

Harald Schmidt ist zurück. Umjubelt von der Mehrheit des deutschen Feuilletons, feierte der Godfather der deutschen Unterhaltungsbranche sein Comeback in der ARD. Doch für Zuseher und Entertainer selbst wird es schwierig, sich an die dramaturgische Etikette der ARD anzupassen.

Als Harald Schmidt vor ziemlich genau einem Jahr und für viele allzu plötzlich eine neue Karriere als Privatier begann, heulte das deutsche Feuilleton dem Mann nach, als würde es nach ihm keine Fernsehunterhaltung mehr geben können. Zum damaligen Zeitpunkt war das durchaus verständlich, und noch verständlicher wurden die Nachrufe der Medien, als die verordneten Entziehungskuren der Fernsehstrategen sofort floppten: Anke Engelke versuchte monatelang, die dramaturgischen Elemente der Schmidt-Show in die eigene zu übernehmen, wirkte dabei aber konsequent verloren. Anke Engelke ins Korsett der Schmidt-Show zu pressen, war ein ähnlich hilfloser Versuch, als würde man den Silvester-Klassiker »Dinner for One« mit Jeanette Biedermann und Sascha Hehn neu aufzulegen versuchen.

Als nun Harald Schmidt in der ARD erlaubt wurde, sich »auf schüchterne Weise in den deutschen Arbeitsmarkt einzufädeln«, waren von der alten Show nur noch wenige Elemente geblieben: Manuel Andrack etwa, der vermutlich seine blaue Jeansjacke seit der letzten Harald-Schmidt-Show nicht gewechselt hat, und die Musiker der ehemaligen Helmut-Zerlett-Band, die nun ohne ihren Bandleader auskommen müssen und nur noch die ARD-Showband heißen. Das ehemalige großzügige Studio in Köln wurde gewechselt, nur noch knapp über 100 Zuschauer passen rein. Und dann: Schmidt selbst. Er sieht jetzt aus wie Wolfgang Thierse und redet zuweilen auch so: Werte, Werte, Werte sind es, um die es ihm geht. Und Gäste? Gibt es keine. »Außer es gibt Gäste«, so Andrack. Aber die wird es nicht geben. Warum auch. Woher auch.

Sat.1 nutzte die Harald-Schmidt-Show konsequent als Cross-Promotion-Deponie. Stars und Sternchen aus verzichtbaren Serien und Dokusoaps nahmen neben Schmidt Platz. Richter Alexander Hold, der Henker aus der gleichnamigen Sat.1-Gerichtsshow, war ebenso da wie seine Kollegin Barbara Salesch. Immer waren Schmidts Gäste nach Schmidtscher Analyse »unglaublich erfolgreich«, doch gleichzeitig bombardierte Schmidt sein Publikum mit öffentlich zur Schau getragener Verachtung für die personelle Müllkippe kommerziellen Fernsehens. Bei der ARD wird Derartiges eher schwierig werden. Wen sollte Schmidt einladen? Carmen Nebel etwa oder die Journalistendarstellerin Sabine Christiansen? Gäste kann es nicht geben, schon allein deshalb nicht, weil mit »Viva Deutschlands größtes Schlampenreservoir stillgelegt« wurde, wie Schmidt treffend analysierte.

Im behäbigen Umfeld der ARD wird es auch für Schmidt schwierig zu navigieren. Seine Sat.1-Show war großes Theater, ohne Ressourcenschonung zelebriertes Exempel der möglichen Vielschichtigkeit ordinärer Fernsehunterhaltung. Nonsens und Dissens wurden fein ausbalanciert. Griechische Tragödien wurden ebenso mit Playmobil-Figuren nachgespielt wie Züge der Deutschen Bahn an einem eigens für Schmidt erbauten Bahnhof angehalten. Und im Zentrum des neuzeitlichen Amphitheaters stand Zeremonienmeister Schmidt. Dazu gehörten auch die im Laufe der Jahre immer mehr ins Zentrum gerückten Statisten Schmidts: Manuel Andrack sowieso, aber auch Helmut Zerlett und Regieassistentin Suzana.

In der ARD gibt es keine Zeremonien zu feiern: Die akzeptablen Gäste der saturierten Fernsehunterhaltung werden von Sandra Maischberger oder dem unsäglichen Reinhold Beckmann aufgesogen, große Shows darf dort eigentlich nur Carmen Nebel feiern. Schmidt blieb deshalb nichts anderes übrig, als das große Theater von einst zur Separée-Veranstaltung einzudampfen. Die Pfeife im Mund passte ebenso gut zur ARD wie das etwas längere Haar eines Endvierzigers, der die »Arbeiter- und Bauernshow für Besserverdiener« moderieren will, aber nicht muss. Weltpolitische Halbklugheiten zu Wladimir Putin, der auf einer Pressekonferenz kürzlich erstaunten Journalisten vermittelte, dass der Tschetschenien-Krieg seit drei Jahren ohnehin vorbei sei, passten recht fein ins Gebälk der Werte-Show. Ein wenig deplatziert, weil den Rahmen des philosophischen Duetts Schmidt-Andrack sprengend, wirkten dagegen die Seitenhiebe auf Prominente, die eindeutig nicht in die Schmidtsche Parallelgesellschaft passen: Desirée Nick etwa, die Schwerstneurotikerin aus dem Dschungelcamp. Ihr Gesicht mit der Rückkehr der Vogelgrippe nach Deutschland zu assoziieren, hätte großartig in die alte Harald-Schmidt-Show gepasst. Im neuen Ambiente aber wirkte der Gag, als würde man Sandra Maischberger in ihrer Show zum Lambada-Tanzen zwingen.

Schmidt und seine Gagschreiber haben offensichtlich noch Schwierigkeiten, die ARD-Atmosphäre auch in den Gags einzufangen, denn das dürfte von den Programmverantwortlichen unbedingt erwünscht sein: In Zukunft soll Schmidt mittwochs und donnerstags gleich nach den Tagesthemen laufen. Insofern wird es auch kaum noch Witze geben wie etwa den, als Harald Schmidt sich vom Gesicht der Desirée Nick an den »Arsch von Anuschka Renzi« erinnert fühlte.

Die Mehrheit der Deutschen, so hat jüngst eine Emnid-Umfrage ergeben, kann ganz gut ohne Harald Schmidt überleben, es ist also keineswegs so, als habe sich Harald Schmidt »dem tiefen Wunsch der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volks« beugen müssen, wie er selbst den Grund seiner Rückkehr in die Unterhaltungsindustrie umschrieb. Vielleicht wird sich das in den nächsten Monaten noch ändern, wenn die ARD ihre Strategie weiter verfolgt und die Show sich noch besser in der öffentlich-rechtlichen Anstalt assimiliert. Wie Anke Engelke an Schmidt gescheitert ist, könnte nun Schmidt daran scheitern, sich in einem Programm-Biotop bewegen zu müssen, das dem Trash des kommerziellen Fernsehens wenig entgegenzusetzen hat, und das hat wiederum zur Folge, dass Schmidts Pfeile ins Leere gehen. Desirée Nick mag bei RTL eine ganz große Nummer sein, in der ARD aber kommt sie ohnehin nicht vor.

Schmidt selbst dagegen ist zumindest nach seiner ersten Show wenig vorzuwerfen. Tapfer hat er sich in die Fernsehlandschaft der humanoiden Staubfänger von Carmen Nebel bis Sabine Christiansen eingefügt, tapfer hat er versucht, etwas von seiner alten Show zu retten und daraus eine neue zu zwirbeln. Ob das dort gelingt, wo er jetzt gelandet ist, muss freilich fraglich bleiben. Bis zum Sommer 2006 läuft sein Vertrag mit der ARD mindestens, bis dahin muss er die Zwei-Tage-Woche durchhalten, und wie schon bei seiner Sat.1-Show werden einige Kritiker auch in den nächsten Monaten skeptisch bleiben. Aber eines bleibt gewiss: Schmidt wird sich neu erfinden und neu entfalten. Auch ohne auf die verzichtbare Nick einzuhacken.