Aktive Solidarität

Asiatische Migranten in Italien und die Flutkatastrophe von federica matteoni

Mitten im Zentrum von Rom, zwischen Termini-Hauptbahnhof und Piazza Vittorio, liegt das Migrantenviertel der italienischen Hauptstadt. Von etwa 6 000 Menschen aus Sri Lanka und 8 000 aus Indien, die in Rom wohnen, leben die meisten hier und betreiben unzählige Läden, die Billigtelefontarife anbieten.

Seit dem Tag der Flutkatastrophe ist in diesen Läden viel los. Tag und Nacht versuchen Tausende von Bürgern aus Indien und Sri Lanka, sich mit ihren Herkunftsländern in Verbindung zu setzen. Die wenigen, die es schaffen, erfahren oft, dass sie in Südindien oder Sri Lanka kein Zuhause oder keine Familie mehr haben; oder dass ihre Angehörigen zwar noch am Leben sind, aber alles verloren haben. Doch da die Flut Telefonverkehr und Handynetze lahm gelegt hat, wissen die meisten Menschen nicht, was mit ihrem Haus, ihren Eltern, Geschwistern und Freunden passiert ist. Jetzt wollen sie nur zurück, um ihre Toten zu suchen und den Überlebenden zu helfen. »Die meisten, die aus unserem Land nach Europa fliehen, kommen aus der Küstenregion, aus der Gegend, die von der Flutwelle am stärksten betroffen wurde. Dort ist es einfach, Kontakt mit westlichen Touristen aufzunehmen. Und irgendwann entscheidet man sich, nach Europa zu fahren«, erzählte ein Bürger aus Sri Lanka der linken Tageszeitung Il manifesto.

Ein Platz in einem der ansonsten während der Winterwochen ausgebuchten Flugzeuge nach Sri Lanka kostet zwischen 800 und 1 000 Euro. Immerhin ist das billiger als die Fahrt nach Europa auf mickrigen Flüchtlingsschiffen, die oft im Mittelmeer verunglücken. Für einen Platz auf diesen Booten muss man mindestens 6 000 Euro bezahlen. Wer es sich leisten kann, steigt ins Flugzeug, aber das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Nur die »Legalen« können nach Hause und dann wieder nach Italien zurückfliegen.

Nach zahlreichen Appellen von Menschenrechtsaktivisten und Migrantenorganisationen für die Vereinfachung der Prozeduren zur Aus- und Einreise der Migranten aus den von der Flutkatastrophe betroffenen Ländern verlängerte Innenminister Giuseppe Pisanu die während der Weihnachtsferien bis Mitte Januar geltende Rückreisefrist bis zum 15. Februar. Zur Rückreise wurden ausnahmsweise auch diejenigen berechtigt, die auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung warten. Sie werden an der Grenze eine Art »Quittung« dafür zeigen müssen, dass sie alle zur Verlängerung nötigen Unterlagen bereits abgegeben haben.

Alle anderen haben keine Chance, ihre Familien zu suchen oder zu erreichen, denn das würde wieder eine illegale, gefährliche und teure Fahrt nach Europa bedeuten. Die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit macht sie – ebenso wie die, die in den nächsten Wochen und Monaten aus den verwüsteten Gegenden fliehen werden – sozusagen zu sekundären Opfern der Flutkatastrophe.

In Italien wird momentan für eine über Spendenaufrufe hinausreichende »aktive Solidarität« mobilisiert, die zu grundlegenden Änderungen in der italienischen Migrationsgesetzgebung führen soll. In ihrer Tageszeitung Liberazione forderte Rifondazione Comunista eine Verlängerung der Frist für die Rückreise aus den betroffenen Ländern, die Vereinfachung der Prozeduren für die Familienzusammenführung und eine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen für alle »Illegalen« aus den betroffenen Gebieten.

Nur mit einer Aufhebung der im Schengener Abkommen vorgesehenen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit werden jedoch die Flüchtlinge aus den betroffenen Regionen von »aktiver Solidarität« profitieren können. Jetzt ist die EU dran.