Bekannte Demagogie

Präsidentschaftswahlen in Kroatien von boris kanzleiter, belgrad

Wenn am kommenden Sonntag in Kroatien die Stimmen der Präsidentschaftswahl ausgezählt werden, wird der amtierende Präsident Stipe Mesic einen Sieg erwarten. In der ersten Runde scheiterte der bisherige Amtsinhaber nur knapp an den 50 Prozent, die er für einen schnellen Erfolg und eine zweite Amtsperiode benötigt hätte. Seine Widersacherin in der kommenden Stichwahl, Jadranka Kosor von der regierenden Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), folgte vor zwei Wochen mit fast 30 Prozent Abstand auf Platz zwei. In Brüssel und den europäischen Hauptstädten dürften die Glückwunschtelegramme schon vorbereitet sein. Die Wahl des agilen 70jährigen habe Kroatien näher an die Europäische Union geführt und beweise die demokratische Reife der ehemaligen jugoslawischen Republik, wird es darin heißen. Aber auch in Kroatien selbst werden sich alle freuen, die kein Zurück in die Vergangenheit des Nationalismus und der klerikalen Bigotterie der neunziger Jahre wünschen. Und tatsächlich ist es so: Mesic mit seinem stoppeligen Mondgesicht steht heute für das offenere, das liberalere Kroatien.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber auch bei diesen Wahlen wieder, wie quicklebendig das ungeschminkte, hässliche Kroatien ist. Und vielleicht gelingt ihm sogar eine Überraschung. Denn um Mesic in der zweiten Runde etwas entgegenzusetzen, spielt Jadranka Kosor in der Schlussphase des Wahlkampfes ungehemmt mit einer nationalistischen Demagogie, die im kleinen Land zwischen Adria und Donau allzu bekannt ist. Am Grab des verblichenen Staatsgründers Franjo Tudjman werde sie ein »Licht anzünden«, wenn sie gewählt werde, versprach sie am Geburtshaus des Mannes, der 1991 entscheidenden Anteil am Ausbruch des Krieges in Jugoslawien hatte. In Interviews kündigte die 51jährige Karrierejournalistin gleichzeitig an, sie werde sich wieder mehr für die »Würde der Veteranen« einsetzen.

Polarisierung ist Kosors Chance. Zwei wichtige Vorteile hat sie dabei. Während Mesic, der der kleinen Volkspartei (HNS) angehört, nur mithilfe der Ausstrahlung seiner Persönlichkeit gewinnen kann, stehen Kosor der verzweigte Apparat der HDZ, die katholische Kirche und große Teile der Medien zur Verfügung. Und neben dem Nationalismus kann sie weitere populäre Themen besetzen: So wendet Kosor sich gegen ein liberales Abtreibungsgesetz und gegen die von Mesic unterstützte – aber in der Bevölkerung ungeliebte – Einführung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften.

Auch in der Außenpolitik hat Kosor mit einer geschickten Taktik die Möglichkeit, Sympathie zu gewinnen. So steht Mesic für eine Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag und einen schnellen Eintritt in die EU. Kosor stellt beides zwar prinzipiell nicht in Frage, kann mit den Avancen an Tudjman aber dennoch die große Gruppe der Kroaten erreichen, welche eine Auslieferung von Kriegsverbechern als »Vaterlandsverrat« anprangern und in der EU eine Art neues Jugoslawien sehen, das die vermeintlich von jeher unterdrückten Kroaten wieder in ein brutales »Völkergefängnis« einsperren möchte.

Die große Überraschung eines Sieges mag Kosor letztlich zwar nicht gelingen. Aber knapper als erwartet könnte es dennoch werden. Denn vor allem ein Faktor sorgt bei Mesics Unterstützern für Unsicherheit. Im ersten Wahlgang hat der populistische Einzelkandidat Boris Miksic knapp 18 Prozent der Stimmen erlangt, die hauptsächlich dem nationalistischen Lager zuzuordnen sind. Landen diese auf Kosors Konto, wird es für Mesic enger, als das Ergebnis des ersten Wahlgangs vermuten lässt.