Faschistische Multitude

Was bewegt die NPD-Wähler? von felix klopotek

Dass der Faschismus aus der Mitte der Gesellschaft kommt, ist ein Gemeinplatz der Linken. Sie versteht dies meistens ganz allgemein: dass rassistisches, antisemitisches und autoritäres Verhalten in allen Klassen und allen politischen Richtungen vorkommen und sich nicht zur offen faschistischen Bewegung kristallisieren müssen, um sich artikulieren zu können. Da ist was dran.

Umso mehr stellt sich die Frage, warum die NPD und andere neonazistische Gruppierungen immer wieder Erfolge feiern. Was sind die Gründe für den Schritt, der aus einem staatsbürgerlichen Bewusstsein mit faschistischen Elementen einen politischen Willen macht, der sich im Programm der NPD aufgehoben fühlt? Es sei, so ein weiterer Gemeinplatz, die aktuelle Krise der politischen Ökonomie mit all ihren Symptomen (Zerfall des Parteiensystems, neuer Nationalismus der Regierung, Panik des Kleinbürgertums vor dem sozialen Abstieg), verbunden mit dem Fehlen eines traditionellen Republikanismus. Auch da ist was dran.

Was aber ist die Dynamik dieses Schrittes, wie vollzieht er sich? Es ist angebracht, die Fragestellung aller besorgten Pädagogen und Soziologen umzudrehen. Nicht zu fragen, wie unnormal, sprich: wie undemokratisch und antiliberal die Deutschen sind, sondern wie normal der heutige Faschist ist. Vielleicht muss man von einer faschistischen Multitude sprechen: der Faschismus der NPD als Mischung aus deutscher Paranoia und Nachbarschaftshilfe; als Elternkreis, der darüber wacht, dass mit den Kindern in der Schule mehr heimisches Liedgut gesungen wird.

In Köln heißen die Faschisten »Pro Köln« und haben sich bei der letzten Kommunalwahl als Bürgerinitiative vorgestellt. Sie haben auf die große ideologische Offensive verzichtet und zum Beispiel vor dem geplanten Bau einer Moschee gewarnt, sich also einen durchaus verblüffenden faschistischen Pragmatismus zugelegt. Jetzt sitzen sie als Fraktion im Stadtrat.

Wer sich die soliden Bürger anschaut, die für die NPD kandidiert haben und die von ihren guten Nachbarn auch gewählt wurden, wird auf ein Bewusstsein stoßen, in dem sich Querulantentum, Renitenz, Unterwürfigkeit und Dünkel schier unauflöslich verknotet haben. Da sitzt ein Facharbeiter in seinem Reihenhäuschen und ärgert sich. Über die etablierten Parteien, die nur ihr eigenes Interesse im Blick haben, über die korrupten Politiker, die nie Klartext reden, über die Regierung, die gegenüber dem Ausland keine klare Stellung bezieht. Und er ärgert sich darüber, dass es keine anständige Bäckerei in seiner Nähe mehr gibt, sondern nur noch Döner-Buden.

Und er fürchtet sich. Vor den Amis, die Blut gegen Öl tauschen, vor den Arabern, die sich, so bricht es aus ihm heraus, vermehren wie die Karnickel, und vor den Junkies vor dem Supermarkt, die darauf lauern, ihm den Geldbeutel zu stehlen. Die Polizei wird bestimmt nicht da sein, um einzugreifen. Und dann wählt er die NPD. Aus Wut, aus Überzeugung, aus Erleichterung, denn er hat sich endlich zu tun getraut, was er sich so denkt.

Den Schritt vom Staatsbürger mit dem verdruckst-autoritären Bewusstsein zum Faschisten, der selbstverständlich empört ist, so genannt zu werden, ist ein Akt der Selbstermächtigung. Hier spricht der Souverän.