Geheime Dienste

Das rechte Team um den französischen Abgeordneten Julia wollte zwei im Irak verschleppte Journalisten befreien. Nun wird gegen die Beteiligten wegen Spionage ermittelt. von bernhard schmid, paris

Das war ein präsidiales Machtwort: »Es ist nicht gut, das Leben der Menschen zu gefährden. Wenn weniger Journalisten dort wären, gäbe es weniger Risiken«, verkündete Frankreichs Staatschef Jacques Chirac am Freitag anlässlich seines Neujahrsempfangs für die Presse.

Auslöser für die ungewöhnlich direkten Worte des Präsidenten sind Befürchtungen, dass es ein weiteres Geiseldrama geben könnte. Seit Mittwoch vergangener Woche ist die Redaktion der Pariser Tageszeitung Libération »ohne Nachricht« von ihrer Journalistin Florence Aubenas, die sich seit dem 16. Dezember im Irak aufhielt. Sie verließ an diesem Tag gegen 11 Uhr gemeinsam mit ihrem Fahrer und Übersetzer Hussein Hanoun Al-Saadi das Hotel. Seitdem sind die beiden verschwunden. Allerdings versicherten am Samstag drei maskierte Männer irakischen Journalisten, von denen einer für die französische Nachrichtenagentur AFP arbeitet, die Journalistin und ihr Begleiter seien »wohlbehalten«. Sie nannten allerdings nicht den Namen »Aubenas«.

Präsident Chirac will nun möglichst keine Journalisten seines Landes mehr im Irak sehen, da es zu schwierig sei, ihre Sicherheit zu gewährleisten. »Sie wissen nichts vom Ausmaß der Anstrengungen, die wir unternehmen müssen. Das kostet die Nation insgesamt viel Geld«, hielt Chirac den Presseunternehmen vor, die auch jetzt noch ihre Mitarbeiter im Irak lassen. Tatsächlich gibt es allmählich erste Informationen über die Konditionen der letzten spektakulären Geiselbefreiung im Irak vor drei Wochen. 15 Millionen Euro, so schreibt die Wochenzeitung Le Canard enchaîné, seien während der vier Monate, in denen die beiden Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot verschleppt waren, an eine Reihe »Mittelsmänner« geflossen. Was diese jeweils tatsächlich ausrichten konnten, ist unbekannt.

Weitere 1,2 Millionen Euro soll im Zusammenhang mit der Geiselaffäre der Staatspräsident der westafrikanischen Côte d’Ivoire, Laurent Gbagbo, gezahlt haben. Zudem stellte der westafrikanische Präsident ein Flugzeug aus seinem Privatbesitz für eine Reise nach Damaskus zur Verfügung. Die Hilfeleistungen gingen an das Team, das der 74jährige konservative Parlamentarier Didier Julia, ein Rechtsaußen, der wiederholt auch mit dem Front National kooperierte, für die Befreiung der Journalisten zusammengestellt hatte. Wesentliche Mitglieder des Teams waren Philippe Brett und Philippe Evanno, die beide keine unbeschriebenen Blätter sind.

Brett war kurzzeitig beim militärischen Nachrichtendienst tätig. Später war er Leibwächter des rechtsextremen Politikers Bruno Gollnisch, der Nummer zwei des Front National, sowie Gründer einer rechten Pseudo-NGO mit dem Namen OFDIC, die Kontakte zum irakischen Regime unter Saddam Hussein unterhielt (Jungle World, 42/04).

Evanno wiederum ist Historiker an der Sorbonne. Ende der siebziger Jahre begann er seine Laufbahn in der rechten Studentenorganisation UNI, die lange Zeit in der Grauzone zwischen Konservativen und Rechtsextremen angesiedelt war. Später versuchte er, in das so genannte Foccart-Netzwerk aufzusteigen. So heißt die von dem 1997 verstorbenen Jacques Foccart, einem Vertrauten de Gaulles, aufgebaute Struktur, deren Mitarbeiter Jahrzehnte für die nicht offiziellen Aspekte französischer Außenpolitik in Afrika verantwortlich waren. Dazu gehörte die Unterstützung afrikanischer Diktatoren oder die Finanzierung schmutziger Kriege.

Doch Evanno war zu jung, um zu Foccarts Vertrauensleuten zu zählen, und wurde von dessen Umgebung ausgebremst. Vergeblich versuchte der eifrige Mann noch vor einem Jahr, einen Posten im französischen Kooperationsministerium, dem früheren Kolonialministerium, zu ergattern.

Das Trio hat jämmerlich dabei versagt, durch eine eigenmächtige Initiative während der Entführung der beiden Journalisten groß herauszukommen. Brett telefonierte über Handy am 1. Oktober mit dem Radiosender Europe 1 und behauptete, er befände sich »mit den Geiseln« im Irak. Sein Pech war, dass der französische Geheimdienst das Gespräch mithörte und seinen Aufenthaltsort herausfand. Brett befand sich überhaupt nicht im Irak, sondern in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Dort wurde das Trio anscheinend von den Nachrichtendiensten Syriens an der Nase herumgeführt.

Die Regierung hat es nun eilig, mit den eigenmächtigen Protagonisten abzurechnen und Spuren zu verwischen. Brett und Evanno wurden am 27. Dezember festgenommen und 15 Stunden lang verhört. Gegen sie wurde ein Ermittlungsverfahren wegen »nachrichtendienstlicher Tätigkeit für eine ausländische Macht« eingeleitet. Die ausländische Macht ist den richterlichen Akten zufolge die Côte d’Ivoire.

Der Dritte im Bunde, Didier Julia, ist für den 20. Januar bei dem prominenten Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguière vorgeladen, kann aber wegen seines Abgeordnetenstatus nicht zur Aussage gezwungen werden. Nach Presseberichten will er der Vorladung möglicherweise nicht Folge leisten. »Falls ich etwa gerade Kommunen in meinem Wahlkreis besuchen muss, dann könnte das Vorrang haben«, erklärte er. Richter Bruguière sagte allerdings bereits der Presse, dass die Akte »leer« sei.

Der Spionagevorwurf wirkt tatsächlich reichlich fadenscheinig. Er dient wohl in Wirklichkeit ausschließlich dazu, die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu verhindern. Denn gemäß einer Verordnung aus dem Jahr 1958 kann ein und dieselbe Materie nicht zugleich zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens und einer parlamentarischen Untersuchung werden.

Der Figaro macht bei der Regierungspartei UMP vor allem den Wunsch aus, Gras über die Sache wachsen zu lassen. Der Regierung ist sicherlich daran gelegen, dass ihre Rolle bei den verschiedenen parallel ablaufenden Operationen – die französischen Geheimdienste, die Delegationen des moslemischen Repräsentativrates und die Julia-Mission waren gleichzeitig im Nahen Osten aktiv – nicht zu genau unter die Lupe genommen wird.

Der Canard enchaîné meldete, dass die Mitglieder des Teams um Julia auch mit ungültigen Passdokumenten – beispielsweise war der Reisepass von Evanno abgelaufen – nach Syrien, Ägypten oder in den Libanon einreisen konnten. Das ist ausgesprochen ungewöhnlich und war nur deshalb möglich, weil sich französische diplomatische Vertretungen für die schnelle Vergabe von Visa an die Betreffenden einsetzten.

Wahrscheinlich ist, dass die Regierung auf diesem Weg eine eher anrüchige Mannschaft mehrere Wochen lang zumindest tolerierte. In der vagen Hoffnung, sie könnte dort etwas erreichen, wo offizielle Verhandlungen keinen Erfolg hatten. Die Vorgehensweise ähnelt der bei früheren verdeckten oder als Nebenaußenpolitik betriebenen Operationen auf dem afrikanischen Kontinent, wo Mannschaften, die oft aus rechtsextremen Militärliebhabern bestanden, vorgeschickt wurden. So wurde etwa die Söldnergruppe um Bob Denard so lange toleriert, bis ihr Putschversuch auf den Komoren im Jahr 1995 scheiterte.