Niedliche Protestpartei

Medien und Politik verharmlosen die NPD von tobias kaufmann

So schnell wie Sachsens NPD-Spitzenmann Holger Apfel ist vorher wohl nur Dieter Bohlens Estefania berühmt geworden. Das kollektive »Huch, ein NPDler! Da renne ich mal schnell aus dem Studio« der anderen Parteien und die hilflosen Interviews der Fernsehmoderatoren nach der Landtagswahl in Sachsen haben Apfel im September 2004 schlagartig bekannt gemacht. Vom größten anzunehmenden Medienerfolg beschwingt, bekannte NPD-Chef Udo Voigt kurz darauf, Hitler sei ein großer Staatsmann gewesen und das BRD-System müsse abgewickelt werden. Das hielt vermutlich zwei CDU-Abgeordnete im sächsischen Landtag nicht davon ab, den Kandidaten der Rechtsextremen für das Amt des Ausländerbeauftragten (!) zu wählen. Hirn aus zum Protest! Da kann sich die NPD noch so viele vorbestrafte Nazischläger in die Partei und auf ihre Listen holen, ihr Image als niedliche Protestpartei wird sie einfach nicht los. Eigentlich müsste Udo Voigt entnervt zurücktreten. Zwar hat er aus einem klinisch toten Altherrenverein eine moderne nationalsozialistische Partei gemacht, aber er wird in der Öffentlichkeit immer noch mit einem »Republikaner« verwechselt, dem man nur ein bisschen Leitkultur geben muss, damit er sich wieder beruhigt. Selten ist etwas so naiv verharmlost worden wie der Aufstieg der NPD mit ihrem Rückgrat aus Neonazi-Kameradschaften, Verlierern und Spießern, die Angst vor dem Abstieg haben. Die »Volksfront«, die die NPD sich erträumt, ist für Bundestagswahlen zwar eine Illusion – aber in manchem ostdeutschen Landstrich ist sie längst Wirklichkeit. Die netten Nazis von nebenan helfen Oma über die Straße und pflanzen Bäumchen vor dem Altersheim. Dann hauen sie Leuten in den Magen, die Oma sowieso nicht leiden kann, weil sie irgendwie »keimig« aussehen: Linke, Obdachlose, Ausländer. Solange kein deutsches Eigentum beschädigt wird, geht das in Ordnung. »Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer in ihre Heimat zurückschicken.« Dieser Forderung der NPD stimmen 36 Prozent der Befragten mit oder ohne Vorbehalt zu. Das zeigt: Der Kampf um den »Mainstream« ist in vollem Gange. Dabei bietet die NPD für jedes Problem in der Regel die dümmste aller Lösungen an, was ihr allerdings nicht zu schaden scheint. Und die Linke? Sie glaubt entweder an die beruhigende Wirkung alt-sozialdemokratischer Geldverteilungspolitik, nach deren Logik Neonazis ausschließlich Folge sozialer Probleme sind, oder blamiert sich anderweitig. Von ausgelutschten Antifa-Konzepten profitiert die NPD besonders gern. Wenn Antifa-Aktivisten im Kampf »gegen den rechten Mief« Buttersäure vor den Bahnhof in Frankfurt/ Oder kippen und dann schnell in den Zug nach Kreuzberg steigen, machen sie bei Oma wohl kaum Punkte. Die NPD ist nicht nur »rechts«, sie ist auch »links«. »Kampf dem US-Imperialismus. Kampf den US-Kriegsverbrechen und -verbrechern« – das stammt aus einem Text auf der NPD-Homepage. Eine NPD-Wahlkampfveranstaltung mit Steinen und Flaschen anzugreifen und sich dann vermöbeln zu lassen, ist weder eine Antwort darauf noch ein politisches Programm. Wer die NPD zur bloßen Protestpartei zurückstutzen will, der müsste dafür vor allem erstmal eines tun: Mehr Hirn wagen. Tobias Kaufmann ist Redakteur der Jüdischen Allgemeinen.