»Es geht um die Profite aus den Ölexporten «

Rex Sean O’Fahey

Obwohl Anfang Januar ein Friedensabkommen zwischen der sudanesischen Zentralregierung und der größten Rebellengruppe aus dem Süden des Landes unterzeichnet wurde, geht der Bürgerkrieg in der westlichen Provinz Darfur unvermindert weiter. In den europäischen Medien wird der Bürgerkrieg als ein archaischer, ethnisch motivierter Konflikt zwischen Stämmen dargestellt und die wesentlichen Gründe des Krieges werden verschwiegen.

Professor Rex Sean O’Fahey ist der Autor zahlreicher Bücher über den Sudan. Er unterrichtet afrikanische Geschichte an der Universität Bergen in Norwegen und hat lange in Darfur gelebt. Mit ihm sprach Matthias Becker.

Sie kritisieren die Darstellung des Konflikts in Darfur in den westlichen Medien.

Es ist zumindest missverständlich, im Bezug auf Darfur von einem Konflikt zwischen Arabern und Schwarzafrikanern zu reden. Die ethnische und politische Realität im Sudan ist viel komplexer. Natürlich kämpfen heute Angehörige der Vieh züchtenden Nomadenstämme gegen sesshafte Bauern. Aber es war traditionell möglich, von der einen Gruppe in die andere zu wechseln. Ein erfolgreicher Bauer konnte damals in Kamele investieren, nach einiger Zeit hatte er eine vollwertige arabische Identität erlangt. Es gab viele Mischehen zwischen Bauern und Nomaden, es gab traditionelle Strukturen der Konfliktlösung. Die rassistische und mörderische Dynamik, die wir jetzt erleben müssen, ist neu. Ich nenne das die Politisierung der Ethnie.

Warum sind diese traditionellen Strukturen zusammengebrochen?

Um diese Politisierung zu verstehen, ist der ökologische Hintergrund wichtig. Seit der Dürre in den frühen achtziger Jahren und dem Vordringen der Wüste wurde der Verteilungskampf um die knappe Ressource Land viel härter. Man kämpfte um Wasser und Weiderechte. Und dann kamen Gewehre ins Land. Als ich 1968 zum ersten Mal nach Darfur kam, gab es genau ein Gewehr: meines. Ich habe es benutzt, um Paviane von den Feldern zu vertreiben. Es gab nur eine einzige Straße. Wohl gemerkt, Darfur ist so groß wie Frankreich. Außer Krieg und Vertreibung spielt sich dort nun auch eine ökologische Katastrophe ab.

1988 beschloss der damalige Premierminister Sadiq al-Mahdi, die arabischsprachigen Nomaden zu bewaffnen, damit sie gegen die Rebellen der Sudan Peoples Liberation Army kämpften. Aber sie benutzten die Gewehre im Kampf gegen die Bauern. So entstanden die Reiterhorden der Janjaweed, die heute mit Unterstützung der Regierung die Bauern Darfurs terrorisieren. Die lokalen Konflikte verschmolzen mit einer rassistischen Ideologie. Sie hat mittlerweile eine Eigendynamik entwickelt, die kaum mehr zu kontrollieren ist.

Viele sind erleichtert über den Friedensschluss. Was wird er für Darfur bringen?

Nichts. Dieser Krieg hat viele Aspekte, aber Sie müssen verstehen, dass es um die Profite aus den Ölexporten geht. Seit einigen Jahren ist der Sudan nun Ölexporteur, und das hat viel Unheil gebracht. Die letzte Prognose für 2005 lautet, dass der Profit für die Regierung etwa drei Milliarden Dollar betragen wird. Der Friedensvertrag von Nairobi von Anfang Januar sieht jetzt vor, dass diese Summe genau zur Hälfte an den Süden und den Norden gehen wird. Das ist der eigentliche Grund für den Krieg wie für seine vorläufige Beendigung. Es muss eine Einigung und eine gewisse Stabilität geben, um von der Ölförderung profitieren zu können. Die bewaffneten Gruppen in Darfur, wie das Sudan Liberation Movement oder das Justice and Equality Movement, kämpfen nun um einen Platz am Verhandlungstisch; sie wollen beteiligt werden. Andererseits unterstützt die Zentralregierung die arabischsprachigen Reitermilizen, weil sie die Situation in Darfur mit ihren eigenen Soldaten nicht kontrollieren oder den Aufstand unterdrücken konnte.

Ich sehe keine Aussicht auf Frieden in Darfur. Jan Pronk, der Sondergesandte der Vereinten Nationen, sagte zwar in der vergangenen Woche, das Abkommen zwischen Süden und Norden könne als Modell für Darfur dienen, aber, um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung, was das heißen soll. Die Kampfhandlungen sind sogar noch schlimmer geworden, weil die Regierung jetzt Truppen aus dem befriedeten Süden nach Darfur verlegen kann. Keine der großen Konfliktparteien hat ein Interesse daran, etwas an der Situation zu ändern, denn das würde auch Umverteilung bedeuten.

Welche Rolle spielen ausländische Staaten in dem Konflikt?

Im Moment hat die Afrikanische Union sehr wenig Truppen vor Ort, etwa 2 000 Mann. Dazu muss man wissen, dass ein lokaler Führer der Janjaweed im Norden Darfurs 10 000 bis 15 000 Reiter mobilisieren kann. Es gibt einen großen Zustrom von Waffen, hauptsächlich aus dem Tschad und aus Libyen. Mit ihrem Veto im Sicherheitsrat gegen ernsthafte Sanktionen haben Russland und China den Weg für eine Katastrophe wie in Ruanda, aber im Zeitlupentempo, geöffnet. Die Janjaweed verfolgen Rebellen bis hoch hinauf in die Berge, es gibt kaum noch ein Hinterland. Um in diesem riesigen Gebiet wirklich etwas ausrichten zu können, sind viel mehr Soldaten nötig.

Warum kam es bisher nicht zu einer Intervention der UN?

Es gibt im Ausland kein wirkliches Interesse, das Morden in Darfur zu verhindern. Die Prioritäten der USA und Großbritanniens liegen im Irak. Der Fokus der Medien richtet sich auf den Nahost-Konflikt. Zwar haben andere Staaten ein großes Interesse an der Ölförderung, aber das bedeutet nur, dass sie gute Beziehungen zur Regierung in Karthoum pflegen. China bezieht im Moment acht Prozent seiner Ölimporte aus dem Sudan, indische Firmen sind an der Förderung beteiligt. Es werden demnächst etwa 10 000 UN-Soldaten nach Darfur geschickt werden. Interessant daran ist, dass das größte nationale Kontingent von China und Indien gestellt wird. Zum ersten Mal in der Geschichte wird es eine militärische Präsenz der Chinesen in Afrika geben.

Wie tragfähig ist der Kompromiss zwischen dem Norden und dem Süden?

Als ich vor Weihnachten im Karthoum war, sprach ich mit zahlreichen Regierungsvertretern. Mein Eindruck ist, dass die Regierung nicht wirklich weiß, was sie will. Sie hat keine einheitliche Linie. Tatsächlich hat die Situation viele Gemeinsamkeiten mit dem Konflikt in Jugoslawien. Auf den ersten Blick fehlt die religiöse Dimension, denn die ganze Bevölkerung ist ja muslimisch. Aber für die Janjaweed sind ihre Feinde eben keine richtigen Muslime.

Wird der Sudan in Zukunft als einheitlicher Staat weiter bestehen können?

Aus verschiedenen Gründen ähnelt die Situation weniger anderen Konflikten in Afrika als solchen in Südosteuropa. Es gibt die sehr reale Möglichkeit, dass der Sudan als Staat auseinander bricht. Ironischerweise ist das im Norden wahrscheinlicher als im Süden. Es gibt außerdem einige Gerüchte über neue Aufstandsbewegungen östlich von Darfur und auch am Roten Meer. Die Regierung der National Islamic Front ist nicht wirklich stark; sie hat kein Konzept, wie sie mit diesen Separationsbestrebungen umgehen soll. John Garang (der Führer der größten Guerilla im Süden und zukünftiger Vizepräsident; M.B.), hat im Gegensatz dazu sehr klare Vorstellungen von seinen Zielen, aber auch seine Führung ist keineswegs unbestritten.

Was erwarten Sie also von der UN-Sitzung am 25. Januar, die einen Beschluss zum Krieg in Darfur fassen wird?

Nichts. Ist das eindeutig genug?