Transkontinental gegen Continental

Nach drei Jahren Streik gegen ihre Entlassung durch den deutschen Konzern Continental kehren die Arbeiter in die Fabrik zurück. Sie haben das Reifenwerk gemeinsam mit einem Investor übernommen. von knut henkel

Wenn die Arbeiter des Reifenwerks Euzkadi im mexikanischen Guadalajara am Donnerstag dieser Woche ihre Abfindungen in Empfang nehmen, endet nach über drei Jahren ein Streik, der als einer der längsten in die mexikanische Gewerkschaftsgeschichte eingeht. Am 16. Dezember 2001 erfuhren die 1 162 Arbeiter und Angestellten per Aushang am Werkstor von ihrer fristlosen Kündigung. Drei Jahre und einen Monat später, am Montag der vergangenen Woche, unterzeichnete Gewerkschaftssekretär Jesús Nuño Torres im Arbeitsministerium von Mexiko-Stadt die Übernahmeverträge für die Reifenfabrik in Anwesenheit des mexikanischen Präsidenten Vicente Fox.

Die Produktion wird fortan von der Belegschaft, die eine Genossenschaft gegründet hat, und dem mexikanischen Investor Llanti Systems gemeinsam betrieben. Das neue Unternehmen wird Corporativo de Occidente S. A. de C. V. heißen, Rohmaterialien werden in den ersten Monaten von der Continental AG geliefert.

Ein glückliches Ende des Arbeitskampfs, denn die Arbeiter haben zwei ihrer Ziele erreicht. Sie haben ihre Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region, der Kleinstadt El Salto im Bundessaat Jalisco, erhalten und die Wiedereröffnung des Werkes erreicht. Es soll in einigen Wochen feierlich neu eingeweiht werden, wobei die mexikanische Regierung Mittel für notwendige Reparaturen nach drei Jahren Stillstand zur Verfügung stellt. Für Vicente Fox ist das Genossenschaftsmodell eine »exzellente Alternative«, für Enrique Gómez, einen der führenden Köpfe der Gewerkschaft, ist es »ein Triumph, der durch die Internationalisierung des Arbeitskampfs ermöglicht wurde«.

Die Gewerkschaft hat in den letzten Jahren nichts unversucht gelassen, um auf den Fall aufmerksam zu machen. Sie wandte sich an Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften in Mexiko wie Deutschland und bat um Unterstützung. Die Menschenrechtsorganisationen Fian und Germanwatch begleiteten den Konflikt in Deutschland und gaben 2003 in Mexiko ein Rechtsgutachten in Auftrag. Das Ergebnis war eindeutig: Die Entlassung der Arbeiter sei nicht rechtmäßig erfolgt, weshalb das Arbeitsverhältnis formal weiter bestehe.

Dieser Sicht der Dinge schloss sich im Februar 2004, über zwei Jahre nach Streikbeginn, auch das mexikanische Arbeitsgericht an, dem der Fall vorlag. Die Continental AG legte zwar Beschwerde ein, aber die Aufmerksamkeit von Medien und Parlamentariern diesseits und jenseits des Atlantiks war endgültig geweckt, und Continental geriet in die Defensive.

Als der deutsche Konzern die von den Streikenden geforderte Wiedereröffnung der Fabrik unter der Firmenflagge kategorisch ausschloss, begab sich die Gewerkschaft auf die Suche nach potenziellen Investoren. Und dem Übernahmeangebot stimmte Continental schließlich zu. Dabei kam der Reifenkonzern den Arbeitern entgegen. Er hat ihren Anteil am Kaufpreis des Werkes übernommen, nach Angaben der Gewerkschaft rund 40 Millionen US-Dollar.

»De facto zahlt Continental damit den Arbeitern den Großteil der seit drei Jahren ausstehenden Löhne«, sagt Martin Wolpold-Bosien von der Menschenrechtsorganisation Fian. Details, zu denen sich Continental-Pressesprecher Dr. Heimo Prokop nicht äußern will. Froh ist allerdings auch er über den Kompromiss. Mit der Unterzeichnung der Verträge ist der Arbeitskonflikt, der Thema auf mehreren Aktionärsversammlungen war, vorerst beigelegt, und natürlich ist auch das Gerichtsverfahren zu Ende, das in letzter Instanz hätte klären müssen, ob Continental mexikanisches Recht verletzt hat oder nicht. Und dem Image des Konzerns wäre eine Verurteilung sicherlich nicht förderlich gewesen.