Antifa heißt Angriff

Neonazis in Griechenland

Thessaloniki ist bekanntlich eine schwarze Stadt. Ein nationalistischer Präfekt, ein rechter Bürgermeister und der große Einfluss der Kirche spiegeln ein hohes Niveau an Konservatismus und Traditionspflege wider. Alles, was mit Griechenland, Mazedonien und Religion zusammenhängt, kann hier viele Leute auf die Straße treiben.

Militante Neonazis waren jedoch immer eine Randerscheinung in Thessaloniki, bis auf wenige Ausnahmen, wie dem Geburtstag von Alexander dem Großen im vergangenen Juni, als die Rechtsextremen unter massivem Polizeischutz einen Gedenkmarsch organisierten. Einerseits wegen des Mangels an führenden Persönlichkeiten, andererseits wegen der allgemeinen Ablehnung eines Großteils der Bevölkerung, haben es die Neonazis bisher nicht geschafft, in Thessaloniki starke Strukturen aufzubauen.

Seit letztem Sommer scheint sich aber ihre Zahl vergrößert zu haben, was nicht zuletzt den patriotisch aufgeladenen Triumphfeiern anlässlich des EM-Siegs der griechischen Nationalelf zu verdanken ist. Ihren Höhepunkt erreichte die Präsenz der Rechtsextremen nach der Niederlage gegen Albanien, als in vielen Städten Albaner verprügelt wurden, einer wurde sogar totgeschlagen (Jungle World 40/04).

Am Samstag vor zwei Wochen war es wieder soweit. Rund 30 Neonazis verjagten eine Gruppe von Anarchisten, die abends unterwegs waren, und fügten einem von ihnen große Platzwunden am Kopf zu. Als er blutend am Boden lag, klauten sie ihm sogar die Jacke. Am Tag darauf wurde in einem Plenum der anarchistisch-autonomen Szene über eine angemessene Antwort diskutiert. Kurz nach Ende des Plenums bekam das besetzte Haus, in dem es stattgefunden hatte, Besuch von den Faschisten. Sie konnten nicht eindringen, kamen allerdings bis vor die Tür und beschmierten sie mit faschistischen Sprüchen.

Der Übermut der Neonazis wirkte umso komischer, als das besetzte Haus von Zivilpolizisten bewacht wurde, die auch den Angriff miterlebten. Der Verdacht einer organisierten – und nicht mehr spontanen, wie üblich – Zusammenarbeit der Polizei mit den Faschisten wurde am folgenden Tag stärker, als die rechtsextreme Partei Chrisi Avgi (»Goldener Morgendamm«) die Behörden dazu aufrief, die drei besetzten Häuser der Stadt dicht zu machen, denn von dort aus würden »die Terroristen« ihre Straftaten planen und durchführen.

Den Rest besorgte Jean-Marie Le Pen in Athen, der bei einer Veranstaltung der anderen braunen Partei, Elliniko Metopo (»Griechische Front«), mit der er vornehmlich Beziehungen pflegt, eine Rede hielt und dabei unter anderem seine jüngsten Erklärungen über die »nicht so inhumane« deutsche Besatzung Frankreichs erläuterte. Die Antwort der Antifas blieb nicht aus. Am helllichten Tag, während Le Pens Pressekonferenz in Athen, schickten sie ihm ihr Grußwort. Eine Demonstration von über 200 vermummten Anarchisten zog zur Zentrale von Chrisi Avgi in Thessaloniki. Einige brachen durch die Sicherheitstür ein und verwüsteten die Räumlichkeiten in einer spektakulären Aktion, die keine zehn Minuten dauerte. Dann marschierten die Demonstranten wieder durch die Stadt, ohne dass die verblüfften Polizisten, die gleich anrückten, jemanden verhaften konnten.

So beschrieb eine Bewohnerin der Gegend, die von einem Fernsehsender befragt wurde, die Aktion: »Zuerst bekamen wir Angst, als wir die Leute mit Helmen und Stöcken sahen. Aber dann war es in Ordnung: Die haben bloß die Büros der Faschisten da oben zertrümmert und dann waren sie wieder weg.«

harry ladis, thessaloniki