Schluss mit Keynes

Am 8. Februar wird in Dänemark gewählt. Neoliberale Politik mit rassistischen Untertönen droht für weitere vier Jahre. von alfred lang, kopenhagen

Als der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen Mitte Januar Neuwahlen ausschrieb, hatte seine rechtsliberal-konservative Regierungskoalition in den Meinungsumfragen einen souveränen Vorsprung. Seine Rechnung könnte bei den Wahlen am 8. Februar aufgehen und Dänemark weitere vier Jahre neoliberaler Politik mit deutlich rassistischen Untertönen bescheren.

Als vor vier Jahren die rechtsliberale Partei Venstre unter Führung von Rasmussen mit den Konservativen und mit Unterstützung der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DFP) die Regierung bildete, war die Richtung bereits vorgegeben. So hatte die abgelöste sozialdemokratisch-sozialliberale Regierungskoalition sowohl Privatisierungen im sozialen Bereich eingeleitet als auch die Rechte der Migranten stark eingeschränkt. Völlig zu Recht kann Rasmussen von seiner Regierung behaupten, sie habe die versprochene Modernisierung zügig vorangebracht und die dänische Gesellschaft in Richtung eines nur noch auf Konkurrenz orientierten Minimalstaates umstrukturiert.

Im Bereich Beschäftigungspolitik ist die Glaubwürdigkeit der neoliberalen Regierung jedoch ernsthaft erschüttert. So wird ihre Behauptung, die Zahl der Arbeitslosen um 25 000 auf 206 000 Menschen – das entspricht einer Arbeitslosenrate von 7,4 Prozent – verringert zu haben, von sämtlichen regierungsunabhängigen Ökonomen widerlegt. Die neuesten statistischen Analysen des Gewerkschaftsgremiums Handelskartellet dokumentieren eine Steigerung der Arbeitslosigkeit seit Januar 2003 um 30 000 Personen, trotz rigoroser Zwangsaktivierungs- und Beschäftigungsprogramme.

Die Hauptthemen dieser Wahl sind Fragen zur sozialen Sicherheit und zur Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, die das Resultat von langjähriger neoliberaler Demontage der sozialen Errungenschaften sind, die Gewerkschaften und gesellschaftliche Bewegungen erkämpft haben. Die dominierende Partei der Regierungskoalition ist die rechtsliberale Venstre. Sie löste in den vergangenen fünf Jahren die Sozialdemokraten als stärkste Partei ab. In den Prognosen für die nächste Wahl liegt Venstre bei knapp 33 Prozent. Mit routinierter Rhetorik versucht Rasmussen in unzähligen Wahlshows, die drastischen Kürzungen der vergangenen Regierungsperiode in so gut wie allen sozialen, kulturellen und bildungspolitischen Bereichen mit sagenhaften Versprechungen zu kaschieren.

An der Koalitionsregierung ist auch die Konservative Volkspartei beteiligt, das politische Sprachrohr des dänischen Arbeitgeberverbandes. Die knapp zehn Prozent, die der Partei vorausgesagt werden, sind nicht genug, um im Falle einer Neuauflage der rechtsliberal-konservativen Regierung die Dänische Volkspartei loszuwerden. Im Gegensatz zu Venstre befinden sich die Konservativen im Dauerstreit mit der Partei, vor allem wegen ihrer rassistischen Ausfälle. Wenig anfangen können die Mitglieder der Konservativen Volkspartei auch mit den sozialdemokratisch verbrämten Forderungen der Dänischen Volkspartei.

Die DFP betreibt vor allem Populismus. Bei allen Parteien bediente sie sich inhaltlich. Von den Sozialdemokraten übernahm sie die Ausrichtung auf sozial Unterprivilegierte, von den bürgerlichen Parteien die Forderung nach drastischen Steuersenkungen und der Entbürokratisierung des öffentlichen Sektors und von den extremen Rechten das Konzept von Law and Order und einen rabiaten Fremdenhass, der sich vor allem gegen den Islam und gegen jegliche Form einer multikulturellen Gesellschaft richtet.

Die Regierung befürwortete die Stationierung dänischer Soldaten im Irak. US-Präsident George W. Bush dankte ihr für die militärpolitische Unterstützung und vermittelte dem dänischen Weltkonzern Mærsk den lukrativen Auftrag, US-amerikanisches Kriegsmaterial mit firmeneigenen Containern in den Irak transportieren zu lassen.

Die Sozialdemokraten, die bei der vergangenen Wahl über 29 Prozent der Stimmen erhielten, stehen kurz davor, das schlechteste Wahlergebnis seit 1945 einzufahren. Ihnen werden knapp 27 Prozent vorausgesagt. Seitdem der sozialreformerische Flügel durch Technokraten und theorielose Apparatschiks ersetzt wurde, verliert die Partei zusehends ihre solide Basis in der Arbeiterklasse. Viele frühere Sozialdemokraten haben sich wegen des schwachen sozialen Profils von ihrer Partei abgewandt und sich entweder der Dänischen oder der Sozialistischen Volkspartei zugewandt.

Letztgenannte hat inzwischen den Platz der alten traditionellen Sozialdemokratie in einer modernisierten Version übernommen. Ursprünglich als antistalinistische Strömung aus der kommunistischen Partei hervorgegangen, profilierten sich die Volkssozialisten als pragmatisch orientierte soziale Reformer, die in bestimmten Bereichen mit den bürgerlichen Kräften zusammenarbeiten. Der kürzlich vollzogene Meinungsumschwung in der Sozialistischen Volkspartei von EU-Ablehnung zur Bejahung des EU-Projektes verursachte heftige Kritik der linken Minderheit unter den Parteimitgliedern.

Die aus einem Zusammenschluss linker Parteien hervorgegangene Einheitsliste ist die einzige linke antikapitalistische Kraft im dänischen Parlament. Die Einheitsliste zeigte sich jedoch bis heute nicht in der Lage, die gesellschaftliche Polarisierung für eine Stärkung linker Positionen zu nutzen. Im Gegenteil, sie konnte sich bei den vergangenen Wahlen nur ganz knapp oberhalb der Zweiprozentgrenze halten. Es ist der Einheitsliste auch wegen der eklatanten Schwäche der Protest- und Widerstandsbewegungen in Dänemark seit Mitte der neunziger Jahre nicht gelungen, sich als »Partei der sozialen Bewegungen« zu profilieren.

Die neuesten Untersuchungen des dänischen Sozialforschungsinstituts SFI verdeutlichen das Ende des ebenso berühmten wie idealisierten keynesianischen Wohlstandsmodells der Sozialdemokratie, von dem Dänemark viele Jahre gekennzeichnet war. Durch die neoliberale Politik der vergangenen zehn Jahre wurden die ehemaligen sozialstaatlichen Absicherungen den Anforderungen der kapitalistischen Globalisierung angepasst. Die übliche Begleiterscheinung dieser Entwicklung ist die soziale Polarisierung. So sind dem SFI zufolge acht Prozent der Dänen als arm zu bezeichnen.

Der parlamentarischen Opposition fehlt es an alternativen Gesellschaftsperspektiven und politischem Willen, um den existierenden, aber fragmentierten Widerstand entwickeln und organisieren zu können.