»Feinde der Nation«

Gedenken in der DDR von ivo bozic
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»Die Frauenkirche in Dresden, im Februar 1945 zerstört durch angloamerikanische Bomber – Ihre Ruine erinnert an Zehntausende Tote und mahnt die Lebenden zum Kampf gegen imperialistische Barbarei, für Glück und Frieden der Menschheit.« Dieses Schild prangte zu DDR-Zeiten an der Ruine der Frauenkirche. Die »Barbarei«, an die damit erinnert wurde, war nicht die Shoah und nicht der von Deutschland begonnene Weltkrieg, sondern die Befreiung Deutschlands vom Faschismus, zu der die wie auch immer im Einzelnen zu bewertende Bombardierung von Städten wie Hamburg und Dresden gehörte. Sicherlich gedachte man in der DDR immer auch der Opfer des Nationalsozialismus bzw. Faschismus, wie es hieß, und funktionalisierte die Gedenkfeiern gerne zu Manifestationen gegen den Krieg an sich oder gegen die Nato-Nachrüstung um, vor allem aber stand der 13. Februar – wie heute auch – für die Erinnerung an die Zerstörung Dresdens.

Es war normal, vom »angloamerikanischen Bombenterror« zu sprechen. Die »Angriffe« seien militärisch nicht notwendig gewesen und nicht zufällig habe es ein Gebiet getroffen, das zum Einflussbereich der Sowjetunion gehören sollte. Im Grunde griffen die »Angloamerikaner«, so die offizielle Lesart, in Dresden schon nicht mehr Nazideutschland an, sondern die Sowjetunion. DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl erklärte 1952, das »unsinnige Verbrechen« habe nur das Vordringen der Roten Armee erschweren sollen.

In der DDR war die Rote Armee Synonym für die Befreiung vom Faschismus. Den britischen, amerikanischen, französischen Alliierten zollte man dagegen kaum Anerkennung. Den Morgenthau-Plan bezeichnete Walter Ulbricht als »satanischen Irrsinn«, die »imperialistischen Westmächte« seien die »Feinde der deutschen Nation«, die »Vertreter des USA-Monopolkapitalismus« betrieben die »Spaltung Deutschlands«. Diese deftigen Worte formulierte Ulbricht bereits 1948, zu einem Zeitpunkt also, als das Reden über die deutsche Nation ein Tabu hätte sein müssen. Doch die DDR galt als Staat der Antifaschisten. Seine Geschichte wurde eher mit der Oktoberrevolution in Verbindung gebracht denn mit der NS-Vergangenheit. Im Osten war der Deutsche immer schon Opfer. Die Täter waren die BRD und die Westalliierten.

Die Erinnerung an die Bomben auf Dresden diente damals, gewollt oder ungewollt, einer Relativierung deutscher NS-Verbrechen und einem antiimperialistisch geerdeten Antiamerikanismus. Inzwischen ist die Frauenkirche wieder aufgebaut, und das Gedenken erfüllt noch immer dieselben Zwecke. Das zeigte sich während des letzten Irak-Krieges. Der parlamentarische Geschäftsführer der PDS im Dresdner Landtag, André Hahn, forderte, die Landesregierung solle sich gegen britische und amerikanische Überflüge aussprechen, denn es sei »angesichts der Bombenangriffe auf Dresden im Zweiten Weltkrieg eine historische Geschmacklosigkeit sondergleichen, dass der Luftraum nun erneut für Kriegszwecke missbraucht wird«. So wird flugs einerseits ein »Missbrauch des Luftraums« zu einem angloamerikanischen Verbrechen erklärt und zweitens der Krieg gegen den Irak mit dem Zweiten Weltkrieg verglichen, was sowohl aus amerikanischer Sicht sträflich ist, weil es die deutschen Verbrechen verharmlost, erst recht aber aus traditionell antiimperialistischer Sicht, denn die Konsequenz daraus lautet: So wie es Unrecht war, den Irak anzugreifen, so waren auch die »Angriffe« auf Deutschland Unrecht. Eine Sichtweise, die wir nicht nur dem konservativen Stahlhelmflügel und der rot-grünen Neuen Mitte verdanken, sondern ausgerechnet auch der »antifaschistischen« DDR.