Große Träume

Deutschland und die Nato von rainer trampert

Deutschlands Ansehen mehren wollen Gerhard Schröder und Joseph Fischer. Doch etwas übereifrig waren sie schon, als sie rechtzeitig vor dem Besuch des US-Präsidenten George W. Bush ihre Ansprüche anmeldeten. Vor den UN forderte Fischer »mehr weltpolitischen Einfluss« für Deutschland. Das habe »nichts mit Großmachtstreben oder Nationalismus zu tun«, sagte er, weil er sich bisweilen ertappt fühlt. Schröder ließ auf der Münchener Sicherheitskonferenz verkünden, die Nato sei nicht mehr der Ort für »Koordinationen und Konsultationen«. Edmund Stoiber und Angela Merkel heulten auf, obwohl diese Bemerkung noch belanglos war. Weder der Irak-Krieg noch der deutsch-französische Einspruch dagegen wurden in der Nato besprochen, ebenso wenig die Politik gegenüber dem Iran, sagt Jeff Gedmin vom Aspen Institute. Wie auch? Fischer wende gegen die atomaren Ambitionen des Iran die »allerkleinste Peitsche« an, während Bush über einen »begrenzten Bombenangriff« nachdenke.

Schröder will die Welt so reformieren, dass sie Deutschlands »gewachsener Bedeutung« gerecht wird. Warum nicht auch die Nato? Den 7 000 deutschen Soldaten im Ausland müsse nun »die Mitsprache« folgen. Die USA aber haben allein in Südkorea 35 000 Soldaten stationiert. Er freue sich, kann Bush deshalb sagen, Kanzler Schröder »daran erinnern zu dürfen, dass die Nato lebenswichtig« sei und einige Mitglieder einen höheren Beitrag leisten sollten. Das heißt: Reiß dein Maul nicht so weit auf!

Gravierend zulegen kann Deutschland aber momentan nicht, weder technisch noch personell oder finanziell. Donald Rumsfeld sagte, er freue sich, dass sich die Hälfte der Nato-Staaten im Irak, in Afghanistan und auf dem Balkan engagierten. Im Übrigen sei die Nato »sehr wertvoll«. Aus US-amerikanischer Sicht ist sie das bestimmt. Die USA sammeln mit der Nato Staaten ein, die um ihre Partnerschaft bitten. Etwa im Südgürtel der früheren Sowjetunion und in Osteuropa, wo die Angst vor Deutschland und einer deutsch-russischen Achse wächst.

Schröder aber geht es um »mehr als die Nato«, etwa um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat, um »eine wirkliche strategische Partnerschaft der EU mit Russland« und um den »Respekt« vor den »Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen des Iran«, während Wladimir Putin am Wochenende bekräftigte, dass Russland die Atomgeschäfte mit dem Iran fortsetzen werde. Dieser Affront gegen die USA entspricht den russischen wie deutschen national-imperialen Interessen. Ein US-amerikanisches Bombardement des Iran würde 400 deutsche Firmen sowie die Investitionen der russischen Öl- und Atomwirtschaft bedrohen. Das wäre für beide ein weiterer Rückschlag, nachdem ihre Optionen auf Maschinen- und Ölgeschäfte im Irak und in Libyen gescheitert sind.

Die Nato ist nicht zu reparieren. Sie spiegelt die Verhältnisse in der westlichen Welt wider, bevor ihr mit dem Untergang der Sowjetunion der gemeinsame Gegner abhanden kam. Seitdem kehrt die »multipolare Welt« konkurrierender Machtzentren zurück. Deutschland und Frankreich basteln mit Russland an einer gemeinsamen Macht, China platzt aus allen Nähten, und die USA erklären Taiwan zu ihrem »strategischen Ziel«. Die EU will das Waffenembargo gegen China einseitig aufheben.

Und Schröder reklamiert für Deutschland so viel Macht, wie die USA sie derzeit ausüben. Das ist anmaßend und besorgniserregend, weil in der deutschen Geschichte die großen Träume oft von den Tatsachen eingeholt wurden. Zu den Tatsachen gehört heute, dass die USA mit ihrem zehnfach höheren Militärpotenzial nicht einzuholen sein dürften.