Red Ken goes Mölleman

Ausfälle des Londoner Bürgermeisters

Der als »roter Ken« bekannte Bürgermeister der britischen Hauptstadt, Ken Livingstone, machte in der vergangenen Woche mit beleidigenden Ausfällen gegen einen jüdischen Reporter von sich reden.

Am Rande einer abendlichen Party in Londons Stadtverwaltung zu Ehren eines Labour-Politikers, der sich vor 20 Jahren als erster Abgeordneter offen zu seiner Homosexualität bekannt hatte, bat Oliver Finegold, Reporter der konservativen Zeitung Evening Standard, den Bürgermeister um ein Statement. Anstatt zu antworten, fragte Livingstone den Reporter, ob er früher »ein deutscher Kriegsverbrecher« gewesen sei. Finegold entgegnete, dass er Jude sei und die Bemerkung beleidigend finde, worauf Livingstone noch nachlegte: »Das mögen Sie zwar sein, aber eigentlich sind Sie wie einer dieser KZ-Aufseher: Sie machen, was Sie machen, weil Sie dafür bezahlt werden.« Schließlich beschied Livingstone Finegold, er solle nicht für ein Blatt voller »Dreckskerle und reaktionärer Eiferer« arbeiten, das »den Faschismus unterstützt hat«.

Holocaust-Überlebende und prominente Vertreter jüdischer Gemeinden reagierten mit Empörung, der Londoner Stadtrat forderte Livingstone einstimmig, aber bislang vergeblich auf, sich bei dem Journalisten zu entschuldigen. Der »rote Ken« rechtfertigte seine Ausfälle zunächst damit, dass Anfang der dreißiger Jahre der damalige Eigentümer des Evening Standard und seines Schwesterblattes Daily Mail britische Faschisten unterstützt habe. Er selbst werde seit über 20 Jahren von den beiden Blättern verfolgt, diese heizten das rassistische Klima in England an. Am Wochenende wurde auf CNN angekündigt, Livingstone wolle eine Erklärung zu dem Vorfall abgeben.

Der Vorstand der Repräsentanten britischer Juden hat eine Untersuchung des Vorfalls durch die Ethikkommmission Standards Board of England beantragt. Dem schloss sich inzwischen sogar die staatliche Commission for Racial Equality an. Ironischerweise könnte dies dem linken Antirassisten im Bürgermeisteramt neben einer Suspendierung die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Antirassismus-Training eintragen.

Inzwischen schaltete sich sogar Tony Blair ein und drängte Livingstone zu einer Entschuldigung. Das hat aber wohl weniger damit zu tun, dass der jüdische Community Safety Trust gerade einen Bericht veröffentlichte, wonach in England im Jahr 2004 ein trauriger Höhepunkt von 532 antisemitischen Vorfällen erreicht wurde. Was die britische Öffentlichkeit weit mehr umtrieb, war die Befürchtung, dass der Skandal um Livingstone »einen Schatten auf die Olympiabewerbung Londons für das Jahr 2012 werfen« könnte. Just in der Woche des Skandals besuchte nämlich eine Delegation des Internationalen Olympischen Komitees London, um sich die olympischen Pläne der Stadt präsentieren zu lassen.

Unterstützung bekam Livingstone von islamistischen Verbänden wie der Muslim Association of Britain und dem Muslim Public Affairs Committee. Sie verteidigen den »treuen und unermüdlichen Freund der Muslime« gegen die »zionistischen Attacken«. Schließlich habe Livingstone Sheik Yusuf al-Qaradawi umarmt und alle Kritik wegen dessen homophoben und frauenfeindlichen Äußerungen sowie der Propagierung von Selbstmordattentaten abgewehrt (Jungle World, 33/04). Zu diesem Zweck hatte Livingstone erst vor wenigen Wochen im Londoner Stadtrat ein Dossier präsentiert, in dem die Kritik an al-Qaradawi auf Manipulationen der »zionistischen Frontorganisation« Middle East Media Research Instiute (Memri) zurückgeführt wird. Livingstone ging sogar so weit, Veröffentlichungen von Memri über al-Qaradawi mit antisemitischen Verschwörungstheorien gleichzusetzen.

udo wolter