Sieg für alle

Wahl in Schleswig-Holstein von jörg sundermeier

»So etwas Verrücktes« habe sie schon lange nicht mehr erlebt, sagte Heide Simonis. Zurecht. Dieweil viele am Montag erschienene Zeitungen die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein zur Verliererin der Landtagswahl erklärt hatten, zeichnete sich spät in der Sonntagsnacht ab, dass die seit zwölf Jahren in Kiel regierende Simonis doch noch eine weitere Legislaturperiode regieren kann.

Dabei ist die SPD nicht einmal die stärkste Fraktion geworden. Doch die bisherige rot-grüne Koalition könnte vom südschleswigschen Wählerverband toleriert werden und eine Minderheitsregierung bilden. Die CDU versucht verzweifelt, mit dem bewährten, doch letztlich aussagefreien Gerede vom »Wählerauftrag« eine große Koalition einzufordern. Diese habe eine stabilere parlamentarische Mehrheit, und überhaupt, eine Kleinstpartei dürfe nicht die Regierungsgeschicke mitbestimmen, sagte der siegreiche und dennoch unterlegene Kandidat der CDU, Peter Harry Carstensen.

Der Fraktionsvorsitzende der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, favorisiert diese Lösung, der schlechte Verlierer Guido Westerwelle hingegen will die Stimmen nachzählen lassen. Aber es ist kaum anzunehmen, dass Carstensen noch Ministerpräsident wird. Eine schwarz-rote Regierung unter der eingefleischten Sozialdemokratin Simonis ist unwahrscheinlich, das war der Führung der CDU bereits in den frühen Morgenstunden des Montags klar. Daher feierte sich die Partei schon einmal als Gewinnerin der kommenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

Der Wahlerfolg der NPD blieb wie erwartet aus, auch wenn, wie die »Wahlbeobachter« nicht müde werden zu betonen, die Wahlbeteiligung recht gering gewesen sei. Doch eine geringe Wahlbeteiligung ist nicht unweigerlich der Grund dafür, dass rechtsextreme Parteien große Gewinne verzeichnen; schließlich kommen die Stimmen für die Rechtsextremen inzwischen aus vielen Bevölkerungsschichten.

Den traditionsbewussten Norddeutschen sind die Neonazis auch nicht zu martialisch oder zu antidemokratisch, sie sind ihnen lediglich zu revoluzzerisch. In Nordrhein-Westfalen etwa sind die Verhältnisse anders, gerade im proletarischen Ruhrpott sind auch rechte Sozialrevoluzzer gern gesehen, wie die Kommunalwahl im Jahr 2004 erwies, bei der Rechtsextreme in einigen Städten Sitze in den Rathäusern gewinnen konnten.

Die geringe Wahlbeteiligung ist aber möglicherweise ein Grund, warum die Wahl, vor der alle Umfragen Simonis als Siegerin sahen, so knapp ausgegangen ist – und für Simonis persönlich so schlecht. Mit dem personalisierten Wahlkampf spricht man vor allem Leute an, die, wenn sie angerufen werden, gern ihre Sympathie für die forsche »Landesmutter« kundtun, denen der Weg zum Wahllokal aber zu unbequem sein kann.

Die SPD fühlt sich jedenfalls bestätigt, denn sie ist wieder einmal knapp davongekommen, die CDU ebenso, denn sie ist die stärkste Fraktion geworden. Alle fühlen sich recht wohl, und weder die Opposition noch die Regierung werden die bisherige politische Haltung ändern. Im Gegenteil, man wird sich durchwurschteln. Allein der südschleswigsche Wählerverband könnte Politik machen, doch einen »Dänenhass« zu schüren.