Da sein, nichts tun

Europa formiert sich als moderne Weltmacht, doch Monarchien sind in der Union keine Ausnahme. Die meisten Königsfamilien fristen jedoch ein glamouröses Dasein zwischen Charity-Events und VIP-Partys. von martin schwarz

Die Hochzeit des britischen Thronfolgers Prinz Charles und seiner langjährigen Geliebten Camilla Parker-Bowles am kommenden Freitag zeigt recht deutlich, dass die britische Königsfamilie viel mehr als eine Statistenrolle in Großbritannien nicht mehr spielen kann: Eigentlich wollte das Paar auf Schloss Windsor heiraten – geht aber nicht, unüberwindliche gesetzliche Hürden stehen dem entgegen. Nachdem die noch immer starke Diana-Fraktion in Großbritannien mit Schaudern auf die Aussicht reagiert hatte, dass die ewige Rivalin der 1997 verstorbenen Prinzessin einmal als Frau von Prinz Charles britische Königin werden könnte, sah sich das in die Jahre gekommene Pärchen zur Korrektur genötigt. Nein, Camilla wolle gar nicht Königin werden und würde sich auch nach einer Inthronisierung von Prinz Charles mit dem Titel einer Prinzessin begnügen.

Doch da witterten einige erbitterte Gegner der Monarchie im britischen Unterhaus ihre Chance: Der Labour-Abgeordnete Andrew McKinlay, ein überzeugter Gegner der Monarchie, wiewohl er selbst den Titel eines Lords trägt, fand heraus, dass Camilla im Falle einer Thronbesteigung von Charles Königin werden muss. Geht nicht anders. Aus gesetzlichen Gründen. Die einzige Möglichkeit des Paares, die Diskussion zu beenden, wäre eine entsprechende Gesetzesänderung, aber das funktioniert so nicht. Denn die britische Queen ist auch noch Staatsoberhaupt von 17 anderen Staaten – von Australien bis Kanada –, und die Untertanen auf der ganzen Welt müssten ebenfalls ihre Verfassungen ändern, um Camilla die Krone zu versagen. Dass dies geschieht, ist unwahrscheinlich, das Kalkül des ansonsten bei der parlamentarischen Arbeit nicht unbedingt auffälligen Lords aber durchschaubar. Vielleicht würde ja einer der Staaten die ewigen monarchischen Querelen scheuen und die Republik ausrufen.

Die Episode rund um die etwas verunglückte Hochzeit von Camilla und Charles macht deutlich, dass die meisten Monarchien, die in Europa nach wie vor Bestand haben, nichts anderes als Scheinmonarchien sind. Die britische Queen: machtlos und seit einigen Jahren gar steuerpflichtig. Der schwedische König Carl Gustav XI.: von den Schweden gerne mal als Blödian bezeichnet, dessen größtes Vergnügen es zumindest in früheren Jahren gewesen sein soll, im stattlichen Hof des Stockholmer Königsschlosses mit schnellen und teuren Autos seine Runden zu drehen. Seit vergangenem Jahr muss er sich jede Rede, die er auf seinen zahlreichen Auslandsreisen hält, vom schwedischen Parlament absegnen lassen.

Die niederländische Königsfamilie: kommt fast nur in Klatschspalten vor, weil es zwischen Königin Beatrix und einigen anderen Familienmitgliedern gehörig brodelt, ein Streit, der mittlerweile gar vor Gericht ausgetragen wird. Der norwegische König Harald: interessiert eher aus medizinischer Sicht, seit er sich vor einigen Wochen am Herzen hat operieren lassen müssen. Sein Sohn Haakon kam zu Ruhm, weil er die Bürgerliche Mette-Marit heiratete, die bei einem Interview mit Sandra Maischberger einen argen Sonnenbrand erlitt. Die dänische Königsfamilie: unverzichtbar nur für das Goldene Blatt und ähnlichen Gazetten, vor allem seit Prinz Frederic die schöne Australierin Mary geehelicht hat. All diese Monarchen fristen ihr Dasein zwischen VIP-Party und Klatschkolumne, besonders gilt das für die nun auf die Throne strebende junge Generation. Denn die verweigert sich auch gerne mal dem ganzen höfischen Zeremoniell und zeigt sich nur zu besonderen Anlässen in royaler Kulisse.

Ein bisschen anders ist da schon die Lage in Spanien: König Juan Carlos I. verfügt über eine traumhaft hohe Zustimmung in der Bevölkerung, nachdem er nach dem Tod des faschistischen Diktators Franco das Land in die Demokratie geführt hat. Dazu kommt, dass die spanische Königsfamilie als eine der wenigen royalen Sippen noch immer ihre Funktion als Hüter des katholischen Glaubens ausübt und damit im zutiefst katholischen Spanien auch eine identitätsstiftende Rolle einnimmt. In Belgien wiederum spielt der König eine Rolle für den Ausgleich zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen der Flamen und Wallonen, was ihm auch leidlich gut gelingt.

Insgesamt haben all diese konstitutionellen Monarchien gemeinsam, dass sie auch zu den stabilsten Demokratien in Europa gehören. Doch das ist nur scheinbar ein Widerspruch: Mit wenig oder gar keiner Macht ausgestattet, sind die Monarchen schlicht die Bewahrer der politischen Kontinuität, Balancekünstler gleichermaßen, die durch ihre schlichte Existenz Unvorhergesehenes verhindern. Durch die weitgehende Machtlosigkeit werden auch die schwer wiegenden Konsequenzen der genetischen Lotterie an der Staatsspitze entschärft.

Anders sieht das lediglich in jenen Monarchien aus, die auch heute noch der Königsfamilie beinahe absolute Macht verleihen. Liechtenstein etwa, jenes gerade einmal 160 Quadratkilometer große Fürstentum zwischen der Schweiz und Österreich. Fürst Hans-Adam II. ließ erst im Jahr 2003 die Verfassung zu seinen Gunsten ändern und drohte im Vorfeld des Referendums seinen Untertanen schlicht mit dem Exil, wenn sie den Ausbau seiner Machtbasis nicht absegnen würden. Nach Österreich würde er dann ziehen, den Kram hinschmeißen, Liechtenstein könne sich dann eben entscheiden, ob es zur Republik würde oder sich Österreich oder der Schweiz anschließt. Die Liechtensteiner taten, wie ihnen geheißen. Sogar der Europarat beschäftigte sich mit den antidemokratischen Tendenzen in dem kleinen Fürstentum, doch die Unterstützer des Fürsten konnten ein Argument ins Treffen führen: Die Macht des Fürsten könne jederzeit beendet werden, denn nur in Liechtenstein sei es möglich, die Monarchie sofort abzuschaffen, wenn sich die Mehrheit der Bevölkerung für die Republik entscheide. Nur 1 500 Unterstützungserklärungen würden reichen, um einen solchen Mechanismus in Gang zu setzen.

Ebenso machtbewusst sind lediglich die Grimaldis, die ihr nur 1,9 Quadratkilometer großes Fürstentum Monaco zum Anziehungspunkt für den internationalen Jet Set ausgebaut haben. Seit Prinz Rainier im Sterben liegt, machen sich die Monegassen aber Sorgen um den Bestand ihres Mini-Reiches, denn es droht mangels männlicher Nachkommenschaft im Fürstenhaus an Frankreich zurückzufallen. Völlig führungslos dagegen ist derzeit das kleinste Land der Welt und die einzige Wahlmonarchie auf dem Planeten: Nach dem Tod Johannes Pauls II. stehen die Staatsgeschäfte im Vatikan still, denn außer dem Papst ist niemand vertretungsbefugt.

Europas Monarchien also sind – zumindest gilt das für jene, die in der Europäischen Union angelangt sind – nicht viel mehr als parallele Systeme zu den etablierten gefestigten Demokratien in diesen Ländern. Der kleine Rest – Monaco und Liechtenstein – wird wohl auf längere Zeit ohnehin nicht EU-Mitglieder werden. Die Europäische Union hat sich mit den Königshäusern in Belgien, den Niederlanden, in Luxemburg, Großbritannien, Schweden und Spanien bestens arrangiert. Ein Widerspruch zu den europäischen Weltmachtambitionen besteht nicht.