Death Wish

Der Tod von Terri Schiavo von jörn schulz

Fast immer geschieht es im Verborgenen. Ärzte und Angehörige treffen diskrete Absprachen, die künstliche Ernährung wird beendet, der Patient stirbt. Das Wachkoma, in der US-amerikanischen Medizin als »permanenter vegetativer Status« (PVS) bezeichnet, gilt als unheilbar, und die Pflege, die meist privat bezahlt werden muss, ist teuer. Ausdrückliche Patientenverfügungen sind selten.

Einzig im Fall Terri Schiavos führte der Streit zu einer erbitterten öffentlichen Debatte, die von der republikanischen und christlichen Rechten als heiliger Krieg gegen eine Justiz, die ihren Vorgaben nicht folgen wollte, und gegen eine angeblich von den Demokraten vertretene »Kultur des Todes« geführt wurde. Die meisten Liberalen und Linken nahmen die Gegenposition ein, so beriefen sich die linksliberale Nation und die trotzkistische Socialist Equality Party gleichermaßen auf einen wissenschaftlichen Standpunkt, demzufolge das Wachkoma irreversibel und die gerichtliche Entscheidung, Terri Schiavos Leben zu beenden, richtig sei.

»Die Autorität der Ärzte, des Ehemanns und der Richter zu beschwören, ist ein einfacher Weg, schwierigen Fragen auszuweichen«, meint dagegen die Feministin Naomi Jaffe. Von Ausnahmen abgesehen, blieb es neben der christlichen Rechten jedoch einem Zusammenschluss von 26 Behindertenorganisationen überlassen, sich für die Fortsetzung der künstlichen Ernährung Terri Schiavos einzusetzen.

»Es ist fast sicher, dass zahllose Menschen ihren eigenen Tod durch Verhungern und Dehydrierung nicht verhindern konnten«, erklärte Stephen Drake von »Not Dead Yet«. Unterschiedlichen Studien zufolge liegt die Rate der Fehldiagnosen bei Wachkomapatienten zwischen 30 und 40 Prozent. Wie es dazu kommt, deutet eine im Februar in der Zeitschrift Neurology publizierte Untersuchung von Patienten mit »minimalem Bewusstseinsstatus« an. Ihre Hirnaktivitäten stiegen von »fast nicht existent« auf das Niveau von Menschen ohne Hirnschädigung, wenn sie die Stimmen naher Angehöriger hörten. Menschen mit stark eingeschränkter Wahrnehmung benötigen offenbar eine Stimulation, wenn ihre kognitiven und emotionalen Potenziale gemessen werden sollen.

Das beweist nicht, dass auch Terri Schiavo auf eine solche emotionale Stimulation reagierte, wie ihre Eltern glauben. Eine unsichere Diagnostik mit mangelhaften Untersuchungsmethoden ist jedoch keine wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung, Terri Schiavo habe keine »Persönlichkeit« mehr gehabt und keine Schmerzen mehr empfinden können. Ohnehin ist das, was Gläubige die Seele und Atheisten die Persönlichkeit nennen, bislang wissenschaftlich nicht nachgewiesen oder gar in einem bestimmten Bereich des Gehirns lokalisiert worden.

Peter Singer und andere Utilitaristen sprechen schwer geistig Behinderten ab, eine Person zu sein, und befürworten ihre Tötung nach der Geburt. Mit der Zustimmung zu Maßnahmen, die das Leben von Terri Schiavo beendet haben, hat sich die Mehrheit der Liberalen und der Linken in den USA dieser Position genähert. Hinter vorgeschobenen wissenschaftlichen Argumenten dürfte sich häufig eine latente Feindseligkeit gegen Menschen verbergen, die weder den Idealen des konsumfreudigen Citoyen noch des wild und gefährlich lebenden Fighters entsprechen. Nicht zu Unrecht empfinden Behindertenaktivisten wie Stephen Drake dies als Bedrohung: »Leute von der Rechten töten uns langsam mit Kürzungen im Budget und bei medizinischer Hilfe, während die Leute von der Linken uns schnell töten und es Mitleid nennen.«