Tausche Schulden gegen Bonds

Argentinien verhandelt über eine Reduzierung seiner Auslandsschulden. Doch nicht alle Gläubiger sind bereit, Verluste hinzunehmen. von knut henkel

In der Geschäftswelt dominerte in der vergangenen Woche der Optimismus. Der argentinische Aktienindex Merval stieg, nachdem Rodrigo de Rato, der Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), sich zuversichtlich über den Ausgang der Umschuldungsverhandlungen geäußert hatte. Schuldentitel in Höhe von 102,6 Milliarden US-Dollar sollen in neue Bonds umgewandelt werden. Die Gläubiger müssen einen Verlust von rund 65 Cents pro Dollar in Kauf nehmen, erhalten aber die Gewissheit, dass sie überhaupt Geld bekommen..

Der IWF befürwortet diese Lösung, de Rato forderte aber Verhandlungen in »gutem Glauben« mit den Kreditgebern, die nicht mit dem Kompromiss einverstanden sind. In dieser Woche soll die letzte Anhörung über deren Klage vor einem New Yorker Berufungsgericht stattfinden. Noch am gleichen Tag wird das Urteil erwartet, das Aufschluss geben soll, ob die neuen argentinischen Bonds wie vorgesehen gegen die alten getauscht werden können.

Ende Februar haben die Anteilseigner, Gläubiger wie Investoren, der Umwandlung von 76 Prozent der Schuldensumme in neue Bonds zugestimmt. Der Tausch sollte bereits am 1. April stattfinden. Ende März beschlagnahmte der New Yorker Richter Thomas Griesa jedoch Schuldtitel über insgesamt sieben Milliarden Dollar auf Klage des Hedge Funds NML Capitals. Die ursprünglich für die Umwandlung eingereichten Papiere sind zum Objekt einer juristischen Auseinandersetzung zwischen Investoren und der argentinischen Regierung geworden.

NML Capital fordert die ungeschmälerte Rückzahlung der Obligationen und will sie juristisch durchsetzen. Darin hat das Unternehmen durchaus Erfahrung. Schon zweimal, bei Umschuldungen von Peru und Ecuador, konnte die Gesellschaft Elliott Associates, die hinter dem Hedge Fund steht, ihre Ansprüche juristisch geltend machen. Sollte das auch dieses Mal gelingen, wäre das ein Rückschlag für die argentinische Regierung.

Die gibt sich zuversichtlich und argumentiert, dass die Schuldverschreibungen nicht beschlagnahmt werden könnten, da sie nicht der argentinischen Regierung, sondern den Gläubigern gehören. Mit der Aktion haben die Kläger allerdings die spektakuläre Umschuldungsaktion verzögert, die Ausgabe der neuen Anleihen im Wert von 35,3 Milliarden US-Dollar wurde zurückgestellt. Zudem sind weitere Klagen von Gläubigern, die das Umtauschangebot der argentinischen Regierung nicht annahmen, in New York anhängig. Entgegenkommen will die Regierung den Klägern in keinem Fall, und auch gegen Druck von Seiten des IWF hat sich Präsident Néstor Kirchner bisher verwahrt. Mit seiner strikten Haltung in den Verhandlungen hatte er bisher Erfolg.

Kirchner zeigt wenig Verständnis für die Anleger, die in Argentinienobligationen investiert haben, weil ihnen eine hohe Rendite bis 18 Prozent versprochen wurde. Leichtgläubig seien sie auf die Angebote von Banken eingegangen, die ihnen die Schuldentitel auch noch verkauft hätten, als sie aufgrund der negativen wirtschaftlichen Kenndaten kaum mehr etwas wert waren, sagte Kirchner vor Diplomaten und Parlamentariern Mitte April im Berliner Sitz der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Banken trügen deshalb eine Mitverantwortung für den Finanzcrash. Auf diese Position haben die argentinischen Unterhändler gepocht und erfolgreich verlangt, dass die Anleger bei der Umschuldung auf Forderungen verzichten.

Nicht alle Gläubiger teilen Kirchners Ansicht. Der Wert der nicht zum Umtausch eingereichten Schuldscheine beläuft sich auf rund zwanzig Milliarden US-Dollar. Einige Geschäftsleute hoffen, mit billig eingekauften Obligationen auf juristischem Weg das große Geschäft zu machen. Die Regierung in Buenos Aires will die alten Schuldtitel hingegen auf ewig unbezahlt lassen. Sie hat ein entsprechendes Gesetz verabschiedet und argentinisches Auslandsvermögen in Sicherheit gebracht, um keine Handhabe für Beschlagnahmen zu geben. Die Aufforderung des IWF, bei der Umschuldung nachzubessern, hat Präsident Kirchner harsch zurückgewiesen.

Der IWF half Argentiniens Regierung immer wieder, zuletzt im August 2001, mit Krediten über die Runden, obgleich selbst hauseigene Experten den zweifelhaften Umgang mit den Milliarden kritisierten. Korruption und Missmanagement wurde den Verantwortlichen in Buenos Aires vorgeworfen, doch passiert ist nichts. Argentinien trudelte in die Finanzkrise, die Regierung stürzte, es kam zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch und heftigen sozialen Protesten.

Der 55jährige Präsident macht den IWF mitverantwortlich für die ökonomische Katastrophe. Wie auf allen Auslandsreisen warb er auch in Deutschland für eine Reform des IWF. In Argentinien sei ein Modell gescheitert und andere Länder sollten nicht die Fehler wiederholen, die Argentinien gemacht habe, mahnte Kirchner auf der Berliner Veranstaltung. Für den IWF war Argentinien jahrelang ein Musterland, doch Korruption und Missmanagement konnten nicht zuletzt aufgrund der IWF-Milliarden prächtig gedeihen.

Kirchner trat sein Amt vor knapp zwei Jahren mit einem umfassenden Reformprogramm an. Die Regierung hat mehrere Gesetze zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet und mit der juristischen Aufarbeitung der unter der Militärdiktatur begangenen Verbrechen begonnen. Gegen 150 Militär- und Polizeiangehörige laufen derzeit Untersuchungs- oder Gerichtsverfahren, was Kirchner viel Respekt im Inland eingebracht hat. Auch bei der Armutsbekämpfung verzeichnen die offiziellen Statistiken Erfolge. Auf 55 Prozent war der Anteil der unterhalb der Armutsgrenze lebenden Argentinier im Oktober 2002 angewachsen; im ersten Quartal 2005 waren es etwas über 40 Prozent.

Die wirtschaftliche Krise ist jedoch nicht überwunden. Die Quote der Unterbeschäftigten beträgt etwa 15 Prozent, der Arbeitslosen rund zwölf Prozent, deshalb warb Kirchner auch in Deutschland um Investitionen. Argentinien ist wegen hoher Wachstumsraten über acht Prozent in den letzten beiden Jahren durchaus attraktiv, aber ob sich die Unternehmen mit einem Präsidenten arrangieren, der kürzlich öffentlich zum Shell-Boykott aufrief, weil der Ölmulti die Preise um rund vier Prozent erhöhte, ist fraglich.

Bei der Bevölkerung kommt so etwas gut an. Rund 75 Prozent unterstützten Umfragen zufolge die Politik des resoluten Staatschefs. Und natürlich auch die Umschuldung.