SLD in Auflösung

Wahlen in Polen

Das Referendum zur Europäischen Verfassung, Parlamentswahlen am 25. September, Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober – das polnische Wahlvolk hat in diesem Jahr noch viel zu tun. Dank der Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden könnte man sich eventuell zumindest einen der Termine sparen.

Allerdings kündigte der polnische Präsident, Aleksander Kwasniewski, nach einem Treffen mit Premierminister Marek Belka und den Vorsitzenden des Sejm und des Senats bereits an, sein Land werde weiterhin den EU-Verfassungsvertrag unterstützen. Belka sagte in einer eigenen Stellungnahme, man solle nun gerade die EU-Verfassung unterstützen, um »Entschlossenheit und Europäertum zu demonstrieren«.

Das polnische Parlament, der Sejm, hat nunmehr zunächst zu entscheiden, ob die Bevölkerung oder die Abgeordneten über das Verfassungswerk abstimmen sollen. Der Vorsitzende des Sejm, Wlodzimierz Cimoszewicz, sagte, man werde allerdings erst das Treffen des Europäischen Rates abwarten, das am 16. und 17. Juni stattfinden soll. Während des Gipfels wollen die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten die Situation nach den ablehnenden Volksentscheiden bewerten.

Ähnlich uneindeutig ging auch Premier Belka vor, als er Anfang Mai verkündete, er werde in Zukunft in der neu gegründeten Demokratischen Partei (PD) mitarbeiten. Er galt bereits seit einiger Zeit als parteilos, auch wenn er nominell der Regierungspartei Demokratischer Linksbund (SLD) angehörte. Belka erklärte, seiner Regierungsarbeit werde er bis zu den Parlamentswahlen nachkommen, erst dann werde er sich aktiv in der PD betätigen.

Der Linksbund, der sich aus der bis 1989 herrschenden Staatspartei entwickelte, ist durch jahrelange Skandale und interne Streitereien geschwächt. Er musste zudem auch noch die Austritte zahlreicher Sejmabgeordneter verkraften und kann bei der bevorstehenden Parlamentswahl höchstens mit fünf bis zehn Prozent der Stimmen rechnen.

Im vergangenen Jahr spaltete sich der linke Flügel der SLD ab und nannte sich Polnische Sozialdemokratie. Die neue Partei versucht seitdem, die linken Wähler der SLD, deren Hang zur Bereicherung der eigenen Abgeordneten offensichtlich ist, für sich zu gewinnen. Die erst in diesem Jahr gegründete Demokratische Partei – sie bezeichnet sich als wirtschaftlich liberal und weltanschaulich offen – gilt dagegen als Repräsentantin der demokratischen Mitte. Ihre Mitglieder sind hauptsächlich Abgeordnete der aufgelösten Partei Freiheitsunion sowie ehemalige Mitglieder der SLD. Die Partei könnte in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Derzeit sieht man sie aber eher als Partei mit großen Namen, aber ohne Wählerschaft.

Auch der neu gegründeten Linken Union wird es schwer fallen, die Fünfprozenthürde zu überwinden. Vorsitzende sind die Frauenrechtlerin und ehemalige Regierungsbeauftragte für Gleichberechtigungsfragen, Izabela Jaruga-Nowacka, sowie die Senatorin Maria Szyszkowska. Sie sorgte für Aufsehen, als sie im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf zur Gleichstellung homosexueller Partnerschaften einreichte.

Die Linke wird wohl trotz der Neuorientierung den Wahlsieg der rechtskonservativen Parteien Bürgerplattform und Recht und Gerechtigkeit nicht verhindern können. In Umfragen liegen sie zusammen bei 40 Prozent. Dazu kommen jeweils etwa zehn Prozent für die rechtspopulistische Bauernpartei Samoobrona und für die klerikal-fundamentalistische Familienliga.

martin kraft, krakau