Trau keinem MdB!

Wie halten Sie es mit dem Linksbündnis? Bei Gewerkschaftern, Globalisierungsgegnern und Montagsdemonstranten hat sich markus ströhlein umgehört

Oskar Lafontaine, bitte führe in dieser historischen Chance an und kneife nicht!« Ein Braunschweiger Ingenieur in Rente ergeht sich in untertänigem Pathos. Er hat im Internet einen Aufruf an die Parteien Wasg und PDS zur Zusammenarbeit unterzeichnet.

560 Menschen haben das bisher getan und neben ihren Namen und Berufen auch ihre Zugehörigkeit zu Parteien und Organisationen genannt und ihre Kommentare abgegeben. In der Liste der Unterzeichner stehen ehemalige Mitglieder der SPD neben solchen, die es noch sind, aber nicht mehr sein wollen. Mitglieder der PDS und der Wasg haben unterschrieben. Auch einige ehemalige Grüne sprechen sich dort für ein Linksbündnis aus. Viele Unterzeichner sind den Angaben zufolge außerhalb der Parteien organisiert. Menschen aus der Bewegung gegen Hartz IV plädieren ebenso für ein Linksbündnis wie Gewerkschafter und Mitglieder von Attac.

Repräsentativ sind diese Stimmen aber nur für einen Teil der außerparlamentarischen Linken. Denn die Meinungen zu einem Bündnis der Wasg und der PDS bei der Bundestagswahl 2005 gehen stark auseinander. Ende Mai hat Attac eine Erklärung zum Bundestagswahlkampf 2005 veröffentlicht. Das Positionspapier präsentiert drei Richtungen innerhalb der Organisation. Ein Flügel fordert ein starkes parlamentarisches Standbein, um die Interessen der globalisierungskritischen Bewegung auf parlamentarischer Ebene zu vertreten. Die Gegner der Parteiarbeit argumentieren, man schwäche die Bewegung mit dieser Strategie. Eine vermittelnde Position spricht sich für die Nähe zu einzelnen Gesprächspartnern in den Parlamenten bei gleichzeitiger Distanz zu den Parteien aus. Alles kann, nichts muss.

Das gilt auch für das Verhältnis zu einem möglichen Linksbündnis. »Es wäre das Ende von Attac als außerparlamentarischem, überparteilichem Bündnis, wenn man sich auf eine Partei festlegen würde. Natürlich stellt man fest, dass es mit einigen Parteien größere inhaltliche Übereinstimmungen gibt als mit anderen.« Die Übereinstimmungen, die der Attac-Pressesprecher Malte Kreutzfeldt konstatiert, ließen sich im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen beobachten. Manche Mitglieder von Attac waren für die Wahlalternative oder für die PDS tätig, manche sind zusätzlich Mitglied in einer der Parteien. Malte Kreutzfeldt wiegelt ab: »Natürlich gibt es Leute von Attac, die in der Wahlalternative mitarbeiten. Da die Wahlalternative neu ist, fallen solche Überschneidungen einfach stärker auf.«

Das Argument, die Verbindungen von Attac zu den beiden Linksparteien deuteten darauf hin, dass eine Mehrheit der Globalisierungsgegner womöglich auch ein Bündnis beider Parteien zur Bundestagswahl favorisiere, lässt Pedram Shahyar nicht gelten. Er hat als Mitglied des bundesweiten Koordinierungskreises von Attac an der Erklärung zum Bundestagswahlkampf mitgearbeitet. »Es gibt keine Mehrheit für eine Position. Attac wird keine Wahlempfehlungen geben.« Auch die Passage der Erklärung, in der sich die Organisation »für Initiativen zur Bildung eines Bündnisses für globale Gerechtigkeit und gegen Neoliberalismus« ausspreche, sei kein Plädoyer für ein Linksbündnis zur Bundestagswahl. »Wir beziehen uns dezidiert auf außerparlamentarische Bündnisse.«

Shahyar selbst hat einen weiteren Appell an die PDS und die Wasg unterzeichnet, bei den Bundestagswahlen gemeinsam zu kandidieren. Der »Appell der 333«, nach der Anzahl derer benannt, die innerhalb der ersten 72 Stunden unterzeichneten, wurde beiden Parteien Ende Mai vorgelegt. In dem Appell heißt es unter anderem, ein solches Parteienbündnis biete »Möglichkeiten für eine Stärkung fortschrittlicher – demokratischer, ökologischer und sozialistischer – Positionen«. In der Aufregung muss den Schreibern des Appells das realpolitische Wirken der PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern entgangen sein. Auch einen Blick auf die Homepage der Wasg zu werfen, vergaß man wohl. Sie skizzierte ihr zukünftiges Wirken nämlich so: »Die Partei (…) hat keine sozialistischen Visionen oder Ziele.«

Ianka Pigors hält ein Linksbündnis für den falschen Weg. Die Hamburgerin ist Mitglied des »Netzwerkes für eine kämpferische und demokratische Verdi«, eines Zusammenschlusses linker Gewerkschafter aus dem öffentlichen Dienst. Und sie ist Mitglied der Wasg. »Gerade als Gewerkschafterin hege ich große Skepsis, was die PDS betrifft. Die Kollegen der Berliner Verkehrsbetriebe führen einen Kampf gegen die Koalition von SPD und PDS in Berlin. Die Politik der PDS in Mecklenburg-Vorpommern stimmt mich auch nicht unbedingt besser.«

Doch auch die Wahlalternative hat kein gänzlich ungetrübtes Verhältnis mehr zu Teilen der politisch aktiven Arbeiterschaft. Eine Reihe von Arbeitern des Bochumer Opel-Werks gründete dort eine Betriebsgruppe der Wasg. Weil sie sich jedoch nicht der Regionalgruppe der Partei unterordnen wollte, wurde sie schnell vom Landesverband ausgeschlossen. Der Landesverband wird von Mitgliedern der IG Metall dominiert, die im Arbeitskampf bei Opel im vorigen Jahr von den verhinderten Wasg-Mitgliedern wegen ihrer Nachgiebigkeit heftig kritisiert wurden.

Dennoch erhoffen sich viele linke Gewerkschaftskollegen Ianka Pigors zufolge ein Linksbündnis. Bernd Riexinger, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Stuttgart und Mitglied sowohl des »Netzwerks« als auch der Wasg, forderte vergangene Woche in einem Interview dazu auf, Streitpunkte mit der PDS zwar zu benennen, sich aber dennoch um ein gemeinsames Antreten zur Bundestagswahl zu bemühen, um so der Zersplitterung der Linken entgegenzuwirken.

Ein anderer hatte schon vorher vor der Spaltung der Linken gewarnt. Vor zwei Wochen machte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Michael Sommer, in einem Fernsehinterview die Anhänger eines Linksbündnisses als Spalter aus. Ianka Pigors kann bei solchen Aussagen nur lachen: »Dass Sommer die SPD immer noch als linke Partei betrachtet, ist seine Privatauffassung. Linke Gewerkschafter teilen diese Ansicht sicher nicht. Wenn man über eine Spaltung der Linken spricht, dann über die noch bestehende von Wasg und PDS.«

Ein Beschluss des »Netzwerks« hinsichtlich seiner Meinung zum Linksbündnis steht noch aus. Das Berliner Bündnis für die Montagsdemonstrationen muss ebenfalls erst beraten. Nach Angaben seines Pressesprechers Fred Schirrmacher sehe man eine Zusammenarbeit von Wasg und PDS positiv, aber nicht unkritisch. Die Gruppen auf den Montagsdemonstrationen verlangten keine Verbesserung von Hartz IV, sondern die Rücknahme des Gesetzes. Die Auffassung des linken Wahlbündnisses zu dieser Frage werde die Haltung der Montagsdemonstranten bestimmen.

Rainer Wahls vom Berliner Sozialbündnis sähe ein Linksbündnis gern im Parlament. Doch weder die Wasg noch die PDS seien für ein solches Bündnis die richtigen Parteien, zumal das Berliner Sozialbündnis die Politik der PDS in Berlin heftig kritisiere. Deshalb könne man den Wahlkampf nur kritisch und ohne Unterstützung für eine Partei begleiten. Ob ein erfolgreiches Linksbündnis für die angeschlagenen Hartz IV-Gegner ein politischer Gewinn wäre? Wahls ist skeptisch: »Es ergibt Sinn, bestimmte Leute im Parlament zu haben. Man sollte sich jedoch nie auf sie verlassen.«