Auf der Suche nach New Yorck

Als »Hausprojekt ohne Haus« suchen die ehemaligen Bewohner der Yorckstraße 59 in Berlin neue Räume. von christoph villinger

Frisch renovierte Fabriketagen, sonnendurchflutet und groß, direkt am Kreuzberger Oranienplatz: dieses Ersatzobjekt für die gerade geräumten Bewohner der Yorckstraße 59 war gut gewählt. Doch die Besetzerinnen und Besetzer konnten die leer stehenden Räume über einer »Plus«-Filiale nur kurze Zeit symbolisch »enteignen«. Am Abend des 6. Juni stellte die Polizei den kapitalistischen Alltag wieder her.

Diesen hatte sie auch am Morgen für den Immobilienspekulanten Marc Walter durchgesetzt, indem sie ihm wieder Zutritt zu seinem Haus in der Yorckstraße 59 verschaffte. Die Beamten brauchten mehrere Stunden, um die Sitzblockaden von einigen hundert Leuten aufzulösen. Am Abend demonstrierten rund 1 000 Menschen gegen die Räumung. Doch zu mehr als einer Selbstinszenierung als »romantische Verlierer« reichte die Kraft an diesem Tag nicht mehr.

Bis zuletzt bestand die Hoffung auf eine Verhandlungslösung, darauf, dass zumindest ein Erhalt des Projekts der »Yorck 59« an einem anderen Ort möglich sei. Doch am Ende zeigten sich die professionellen Unterhändler auf staatlicher Seite der bis dahin hervorragenden Öffentlichkeitsarbeit der »Yorckies« überlegen. Hatte man monatelang kein Ersatzobjekt im Liegenschaftsfonds des Landes finden können, lagen wenige Tage vor der angekündigten Räumung dem Runden Tisch auf einmal drei Adressen vor: seit Jahren unverkäufliche Immobilien, dazu ein Knebelvertrag, sofort zu unterschreiben. Dieses Angebot lehnten die Bewohner der »Yorck 59« ab, wofür sie in der Öffentlichkeit kritisiert wurden.

Weniger die SPD, aber doch die Politikerinnen und Politiker der PDS und der Grünen hätten sich im beginnenden Wahlkampf gerne mit einem Erhalt der Yorckstr. 59 geschmückt. Christian Ströbele als Retter in der Not – was für eine Schlagzeile wäre das im Wettbewerb um das Bundestagsdirektmandat von Friedrichshain-Kreuzberg gewesen! Aber zwischen ihrem Auftrag als staatliche Verwalter und ihrer realen Ohnmacht in der vorliegenden Auseinandersetzung ergaben sich für die Bezirkspolitiker wenig Handlungsmöglichkeiten.

Aber auch die »Yorckies« zeigten eine widersprüchliche Haltung. Einerseits werden die Parteien abgelehnt, andererseits ruft man ihre Vertreter immer dann, wenn es Probleme gibt, zu Hilfe. Und gibt man sonst den materialistisch geschulten Radikalen, soll am Ende auf einmal ein kleiner Sachwalter des Kapitals wie der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) das Eigentumsrecht aushebeln. Geradezu absurd ist es, die Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) nun zur Hauptverantwortlichen für die gescheiterten Verhandlungen machen zu wollen. Das ist immer noch der Hausbesitzer Marc Walter.

Auch sonst müssen sich die ehemaligen Bewohner der Yorckstraße 59 einige Fragen stellen. War es nicht eine Fehleinschätzung zu glauben, man könne alle potenziellen Investoren abschrecken? Ist ein privater Hausbesitzer nicht ein anderer Gegner als eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft? Hätte man nicht von Anfang an die Möglichkeit, das Haus selbst zu kaufen, offensiver vertreten sollen?

Die »Yorck 59« als »Hausprojekt ohne Haus« macht weiter, sagt die Sprecherin Katja Krüger. Man will sich »neuen, größeren und vielfältigeren Freiräumen« zuwenden. Denn in Berlin stehen derzeit viele Häuser leer. Zuerst widmete man sich am Samstagnachmittag zur symbolischen Zeit um 15 Uhr 59 dem seit Jahren leer stehenden, bezirkseigenen »Bethanien« in Kreuzberg. Es wurde besetzt.