Ein bisschen Deep Throat

Beugehaft für US-Journalistin

Vor dem Gefängnis in Alexandria im US-Bundesstaat Virginia versammeln sich seit Tagen Demonstranten, um gegen die Inhaftierung Judith Millers zu protestieren, einer Reporterin der New York Times. Dass sie nur einige Zellen entfernt von Zacharias Moussaoui, einem der mutmaßlichen Terror-Helfer des 11. September 2001, sitzt, hat dabei für zusätzliche Empörung gesorgt. Der Sonderermittler Patrick Fitzgerald verurteilte Miller zu viermonatiger Beugehaft, weil sie sich weigerte, die Quelle preiszugeben, die zur Enttarnung einer CIA-Agentin führte.

Dabei geht es um einen für die Administration pikanten Fall: Kurz vor dem Irak-Krieg ließ Präsident George W. Bush die Welt erschaudern, als er darüber berichtete, dass Saddam Hussein sich im afrikanischen Niger rund 500 Tonnen Uran zum Aufbau eines militärischen Nuklearprogramms besorgen wollte. Der US-Gesandte Joseph Wilson, der Monate vor den öffentlichen Anschuldigungen im Auftrag von US-Vizepräsident Dick Cheney in den Niger geschickt worden war, um derartige Informationen zu überprüfen, stellte sich aber gegen den Präsidenten und meinte öffentlich, an der Niger-Irak-Connection sei nichts dran. Und einschlägige Dokumente erwiesen sich nach Prüfung durch die Wiener Atomenergiebehörde (IAEA) als plumpe Fälschung. Kurze Zeit nach Wilsons Ausführungen wurde seine Frau Valerie Plame vom konservativen Kolumnisten Robert Novak als CIA-Agentin enttarnt, was nach amerikanischem Recht eine Straftat darstellt.

Nun hat Novak durchaus gute Verbindungen zum Weißen Haus, und der Verdacht lag nahe, dass ein Regierungsbeamter wohl geplaudert hatte, um den widerspenstigen Wilson zu diskreditieren. US-Präsident George W. Bush setzte den Sonderermittler Patrick Fitzgerald ein, um zu klären, wer denn die undichte Stelle gewesen sei, die Plame enttarnt hatte.

Doch Fitzgerald ermittelte in eine seltsame Richtung: Weder wurde Novak belangt, noch die undichte Stelle im Regierungsapparat gefunden. Statt dessen kam Miller in die juristische Bredouille, wiewohl sie überhaupt nicht über die Affäre berichtete, sonder nur recherchierte und mit Informanten über den Fall sprach. Als sie sich nun weigerte, Fitzgerald die Informanten zu nennen, wurde sie nach einem monatelangen juristischen Tauziehen zu vier Monaten Beugehaft verurteilt. Ein Kollege des Time Magazine entging dem Knast nur, weil er mit Fitzgerald kooperierte.

Die Taktik der US-Regierung ist so undurchschaubar nicht: Dass der plaudernde Regierungsbeamte gefunden wird, scheint nicht der Wunsch des Weißen Hauses zu sein, weil die Gefahr besteht, dass im Prozess auch untersucht wird, ob der Beamte aus eigenem Antrieb gehandelt hat oder angewiesen wurde, Plame und damit auch Wilson zu diskreditieren.

Allerdings scheint es auch ausgeschlossen, dass das Weiße Haus die Inhaftierung Millers durch einen Richter wirklich bezweckt hat. Denn ob Miller ihre Informanten nennt oder tatsächlich vier Monate im Gefängnis verbringt – in beiden Fällen bleiben die Medien neugierig. Und das braucht der derzeit enorm unpopuläre George W. Bush nun wirklich nicht.

martin schwarz