Masters of Disaster

Das Department of Homeland Security der USA schürt die Angst vor einem nuklearen Angriff, verharmlost aber dessen Folgen. von guido sprügel

Selten waren sich die Senatoren in letzter Zeit so einig. Mit nur einer Gegenstimme verabschiedeten sie am Donnerstag der vergangenen Woche das Budget für das Department of Homeland Security (DHS). 31,8 Milliarden Dollar darf die Behörde im kommenden Jahr ausgeben, etwa ebenso viel wie die CIA.

Die Hauptaufgabe der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 aus 22 Institutionen zusammengefügten Behörde ist der Schutz der US-Bevölkerung vor dem Terrorismus. Außerhalb des Senats sind die Zweifel größer, ob der gigantische bürokratische Apparat mit seinen 180 000 Mitarbeitern das Leben in den USA wirklich sicherer gemacht hat. Kritiker werfen dem DHS unter anderem vor, die Terrorangst zu schüren und während des Wahlkampfs im vergangenen Jahr immer dann »Code Red«, die höchste Alarmstufe, ausgerufen zu haben, wenn John Kerry in den Umfragen zulegte.

Angst lässt sich instrumentalisieren, um den »war on terror« als legitim und notwendig darzustellen. Angst kann jedoch auch ein Gefühl der Unterlegenheit und der Ohnmacht hervorrufen. Diesen Widerspruch versucht das DHS zu lösen, indem es zwar eifrig vor chemischen, biologischen und nuklearen Attacken warnt (»Terrorismus ist seiner Natur nach unberechenbar«), gleichzeitig aber die potenziellen Folgen eines solchen Anschlags herunterspielt.

Für den Fall, dass bei der Terrorabwehr einmal etwas schief geht, werden die US-Amerikaner durch eine Broschüre mit dem herausfordernden Titel »Are you ready?« vorbereitet. In kurzen, mit Piktogrammen illustrierten Texten gibt das DHS Ratschläge für das Verhalten nach einem Angriff mit Massenvernichtungswaffen.

Eine Atomexplosion? Halb so schlimm. Man soll mit dem Auto an den Straßenrand fahren, die Handbremse anziehen und Radio hören. Grundsätzlich ist es »wichtig, radioaktives Material wenn möglich zu meiden«, lehrt das DHS. Ähnlich hilfreich ist der Rat, sich möglichst weit von der Atomexplosion entfernt aufzuhalten und die Zeit, die man der Strahlung ausgesetzt ist, nach Möglichkeit zu minimieren.

Dann aber heißt es: »Wenn es einen Blitz oder einen Feuerball gibt, suchen Sie sofort Schutz, möglichst unter der Erde, obwohl jede Abschirmung und jeder Zufluchtsort hilft, Sie vor den unmittelbaren Wirkungen der Explosion und der Druckwelle zu schützen.« Wie man zugleich dem Ratschlag »Bleiben Sie, wo Sie sind« folgen und eine möglichst große Distanz zwischen sich und den Explosionsort bringen soll, bleibt das Geheimnis des DHS.

Die Ratschläge der Behörde erinnern in ihrer verharmlosenden Naivität an die Tipps aus den Anfangstagen des Atomzeitalters. Dem DHS gilt es heute als wirksamer Schutz gegen eine nukleare Explosion, sich unter dem Schreibtisch zusammenzukauern. In den fünfziger Jahren wurde empfohlen: »Duck and cover.« Im gleichnamigen Film gibt Bert the Turtle praktische Tipps, um im Falle eines sowjetischen Atombombenangriffs gewappnet zu sein. Reihenweise werfen sich Schüler, Spaziergänger usw. nach einem imaginären Atomblitz auf den Boden und bedecken das Gesicht mit dem Arm. »Duck and cover«, trällert dazu ein Chor. Der Film wurde in den fünfziger Jahren in fast allen Kinos und Schulen der USA gezeigt.

Das Dilemma war damals ähnlich. Einerseits sollte die Angst vor einem sowjetischen Angriff geschürt werden. Noch Anfang der sechziger Jahre galt es als »unamerikanisch«, wenn nicht gar als Landesverrat, sich nicht an den in allen Großstädten durchgeführten Atomschutzübungen zu beteiligen und damit der »kommunistischen Bedrohung« die gebührende Beachtung zu verweigern. Andererseits sollte die Bevölkerung davon überzeugt werden, dass die USA einen Atomkrieg gewinnen und ohne größere Verluste überstehen könnten. Dutzende andere Filme verharmlosten ebenfalls die Folgen eines Atomkriegs.

Diese Darstellung war jedoch nicht nur bewusste Propaganda. Die langfristigen Folgen radioaktiver Strahlung waren noch nicht bekannt. Atombombentests waren in den frühen fünfziger Jahren eine Touristenattraktion. In Las Vegas, nicht weit von dem Testgelände in der Wüste Nevadas entfernt, mieteten sich Touristen ein, um die Bodenvibrationen zu spüren und dabei einen »Atom-Burger« zu essen.

Zudem herrschte in dieser Zeit geradezu eine Atomeuphorie. Disney brachte einen Comic und einen Film mit dem Titel »Unser Freund, das Atom« heraus, in dem eine goldene nukleare Zukunft ohne Energiesorgen prophezeit wurde. In Wochenschau aus eben dieser Zeit vertritt ein Atomwissenschaftler sogar die Ansicht, dass man sich eines Tages gegen radioaktive Strahlen ähnlich immunisieren könne wie gegen Grippe. Untermauert wird die These mit den Bildern einer Frau, die ihren Kindern Strontium-Lollis in die Hände drückt.

Diese Euphorie erfasste fast die ganze Welt. Eine Uno-Konferenz im Jahre 1955 in Genf befasste sich ausschließlich mit dem Traum einer sauberen Atomenergie. Auf dem Konferenzgelände surrte ein Reaktor vom »Schwimmbad-Typ«. Die anwesenden Politiker und Wissenschaftler gaben sich ganz dem Traum einer atomaren Zukunft hin. Der indische Konferenzleiter Homi Bhabha verkündete »das dritte große Zeitalter in der Geschichte der Menschheit«. Aber auch der Philosoph Ernst Bloch entwarf das Bild einer blühenden Sahara, begrünt durch die »friedliche« Nutzung der Kernenergie.

Soweit bekannt, haben die US-Militärstrategen bis zum Ende der nuklearen Konfrontation mit der Sowjetunion bei der Berechnung der Folgen eines Atomkriegs die Strahlung kaum berücksichtigt. Die Verseuchung des Bikini-Atolls für Jahrzehnte, die Strahlenkrankheiten bei US-Soldaten, die dem Fallout der ersten Atombombentests ohne Schutz zu Forschungszwecken ausgesetzt waren und zahlreiche andere Fakten, die seit den fünfziger Jahren bekannt wurden, vermittelten der Öffentlichkeit jedoch ein realistischeres Bild der Gefahren durch radioaktive Strahlung.

Das DHS präsentiert nunmehr einen Kenntnisstand über die Folgen radioaktiver Strahlung, der seit Jahrzehnten überholt ist. Es wäre aber wohl auch nicht zweckmäßig für die Regierung einzugestehen, dass das Gesundheitssystem der USA mit der Versorgung zehntausender durch Strahlung Erkrankter hoffnungslos überfordert wäre. Am hilfreichsten ist wohl noch der Hinweis, der in einer gesonderten Broschüre Kindern gegeben wird: »Es ist OK zu weinen.«